RITSUMEIKAN LAW REVIEW No.16 March 2000


Die alternde Gesellschaft und das Recht-Zu Situation
und
Aufgaben des japanischen Sozialrechts
 
 

Tadashi YAMAMOTO





@

@@@ I. Vorbemerkungen

@ 1. Entstehung und Entwicklung des Sozialrechts

@@@ In allen hochentwickelten LaNndern entwickelten sich Sozialsicherheitssysteme im eigentlichen Sinne als unentbehrlicher Bestandteil von Gesellschaften, die die Freiheit und das Leben ihrer BuNrger garantieren, erst in den letzten fuNnfzig Jahren, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, der Millionen von Menschenleben gefordert und die Menschlichkeit systematisch zerstoNrt hatte, fuNhrte dazu, daƒÀ der Gedanke der MenschenwuNrde auf die internationale Ebene uNbertragen wurde und daƒÀ man sich im Zusammenhang mit dem individuellen Recht auf Freiheit der‡ Freiheit von MaNngeln in neuer Weise vergewisserte. Die Internationale Menschenrechtsdeklaration von 1948 beginnt mit der ErklaNrung, daƒÀ die Anerkennung des unveraNuƒÀerlichen Rechts aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft auf persoNnliche WuNrde und Gleichheit die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bilde. Im Artikel 22 heiƒÀt es, daƒÀ ein jeder als Mitglied der Gesellschaft ein Recht auf soziale Sicherheit hat und Artikel 215 Absatz 1 erklaNrt des weiteren, daƒÀ jeder das Recht auf ein Lebensniveau besitzt, das seiner Gesundheit und sozialen Lage sowie der seiner Familie entspricht, einschlieƒÀlich Nahrung, Kleidung und Wohnung, medizinischer Versorgung sowie der erforderlichen Sozialeinrichtungen, und daƒÀ jeder im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Verlust von FaNhigkeiten, Verlust des Ehegatten oder dem Verlust anderer LebensfaNhigkeiten aufgrund von hoNherer Gewalt das Recht auf Sozialleistungen besitzt. Ausgehend von dieser seit dem Kriegsende international vorherrschenden Denkweise wurde in den vergangenen Jahrzehnten der Ausbau der Sozialsicherheitssysteme vorangetrieben. So auch in Japan.
@@@ Artikel 25 Absatz 1 der japanischen Verfassung bestimmt als grundlegendes Recht aller BuNrger das Recht auf ein gesundheitliches und kulturelles Existenzminimum, und Absatz 2 verpflichtet den Staat in allen Lebensbereichen zur Verbesserung und FoNrderung der sozialen Wohlfahrt, der sozialen Sicherheit und der oNffentlichen Gesundheit. Basierend auf diesen Bestimmungen der Verfassung sind in den vergangenen Jahrzehnten juristische Bestimmungen fuNr viele Sozialsicherheitssysteme geschaffen worden, doch ein dem deutschen Sozialgesetzbuch vergleichbares Gesetzeswerk, das allgemeine Bestimmungen vorschreibt, gibt es zum gegenwaNrtigen Zeitpunkt noch nicht.
@@@ Versucht man, das System im groƒÀen und ganzen zu ordnen, so kann man es wie Abbildung 1 dargestellt unterteilen.

@

Graphik 1 : Das System der sozialen Sicherheit

@

@

@ 2. Die Alterung der BevoNlkerung

@@@ Nach den Kriterien der Vereinten Nationen, die von gesellschaftlicher Alterung ausgehen, wenn mehr als 7“ der GesamtbevoNlkerung uNber 65 Jahre alt sind, ist Japan seit 1970 ein Land mit alternder BevoNlkerung. 24 Jahre spaNter, im Jahre 1994, uNberstieg diese Rate 14“, womit Japan zu den anderen‡ gealterten LaNndern aufschloƒÀ. Demographischen Prognosen des Sozialministeriums zufolge werden wir in zwanzig Jahren, also im Jahre 2015, eine aNltere BevoNlkerung von 31.47 Millionen erreichen, was einem Anteil von 23.6“ entspricht.
@@@ Mit der BegruNndung, daƒÀ die voranschreitende Alterung der BevoNlkerungsstruktur die Aufwendungen fuNr den Unterhalt der AN lteren um ein Vielfaches erhoNhe und die Gesellschaft krisenanfaNllig mache, hat die Regierung seit den achtziger Jahren verschiedene Neubewertungen und Reformen des Sozialsicherheitssystems vorgenommen.
@@@ Gegen die Regierungsthese von der gesellschaftlichen Krise durch Alterung haben u. a. Politikwissenschaftler kritische EinwaNnde erhoben. So verkuNndet die Regierung beispielsweise, gestuNtzt auf den gegenwaNrtigen und kuNnftigen Anteil von produktiver BevoNlkerung (15 bis 64 Jahre) und alter BevoNlkerung (uNber 65 Jahre), daƒÀ die‡ Anzahl der Arbeitenden, die einen alten BuNrger tragen sich im Jahre 1985 auf 5.9 belief und im Jahre 2015 auf 21.3 ansteigen wird. Diese Ausdrucksweise spielt eine wichtige Rolle, um der Krisenthese unter den japanischen BuNrgern zu Ausbreitung und EinfluƒÀ zu verhelfen.
@@@ Nun gibt es allerdings Kritik daran, aus diesen Zahlenwerten die SchluƒÀfolgerung abzuleiten, daƒÀ sich die Unterhaltskosten in starkem MaƒÀe vergroNƒÀern werden. Als GegengruNnde werden folgende angefuNhrt : Erstens, daƒÀ von der als Berechnungsgrundlage herangezogenen produktiven BevoNlkerung zwischen 20 und 64 Jahren ungefaNhr 20“ nicht erwerbstaNtig sind (Hausfrauen, Studenten usw.), zweitens, daƒÀ ungefaNhr 20“ der aNlteren BevoNlkerung uNber 65 Jahre einer ErwerbstaNtigkeit nachgehen, und drittens, daƒÀ man, wenn von der Unterhaltslast der gesamten BevoNlkerung die Rede ist, nicht nur die AN lteren, sondern auch die Kinder (0 bis 19 Jahre) einrechnen muƒÀ. AuƒÀerdem wird prognostiziert, daƒÀ der Index der unterhaltsabhaNngigen BevoNlkerung, der sich aus der Addition von alter BevoNlkerung und Kindern dividiert durch die produktive BevoNlkerung ergibt, sich auch kuNnftig kaum aNndern wird, da die Zahl der Kinder sinkt.
@@@ Um was handelt es sich nun bei der Reform des Sozialsicherheitssystems, einer Reform, deren Durchsetzung mit den genannten schwachen Zahlenwerten begruNndet wurde ? Im folgenden werde ich nacheinander die Pensionsversicherungen und die Krankenversicherungen untersuchen.

@

@

II. D ie gegenwaNrtige Lage des oNffentlichen Pensionsversicherungssystems und das Problem der Einkommenssicherung

@ 1. Entwicklung und Besonderheiten des gegenwaNrtigen oNffentlichen Pensionssystems

@@@ Das oNffentliche Pensionssystem Japans ist im groƒÀen unterteilt in die nach Berufszweigen gegliederten Arbeitnehmer und in die Volkspension, die fuNr SelbstaNndige und andere BuNrger gedacht ist.
@@@ Das Gesetz uNber die Volkspension wurde 1959 erlassen und richtet sich an diejenigen, die bis dahin nicht in den GenuƒÀ eines oNffentlichen Pensionssystems kamen, wie SelbstaNndige und Arbeitnehmer von Kleinstunternehmen mit weniger als fuNnf Mitarbeitern, womit allen BuNrger ein oNffentliches Pensionssystem zur VerfuNgung steht. Aber da das Leistungsniveau sehr niedrig angesetzt war, wurde eine Anhebung gefordert. Nach einigen Revisionen kam es 1973 zur sogenannten‡ 50,000 Yen-Pension . Im Zusammenhang damit fuNhrte man, um den Realwert der Pensionssumme zu erhalten, ein System gleitender Preise ein und bestimmte als Richtlinie fuNr die durchschnittliche Pension 60“ des Durchschnittslohns bzw. Verdienstes.
@@@ Die durchgreifende Reform von 1985 war Bestandteil einer nationalen Verwaltungs- und Finanzreform, und man versuchte, die bisherige Hierarchie zwischen der Sozialpension fuNr Firmenarbeitnehmer, der UnterstuNtzungspension fuNr oNffentliche Bedienstete und der Volkspension fuNr SelbstaNndige zu aNndern, indem man die Volkspension allen BuNrgern uNber 20 Jahre, einschlieƒÀlich der Arbeitnehmer und ihrer Ehefrauen, oNffnete und eine gemeinsame Grundpension schuf. Die Pension der Firmenversicherungen und des UnterstuNtzungsvereins fuNr oNffentliche Bedienstete wurden als‡ Zuschlag zur Grundpension , der vom Prinzip her proportional zum Verdienst gezahlt wird, eingeordnet, so daƒÀ sich als neue Struktur ein zweistoNckiges System ergeben hat.

@

Graphik 2 : Die Struktur des Pensionssystems
@Fonds der
@Volkspension
@Sozialpensions-
@fonds
@Berufszweigspez.
@Anteil
@Sozialpensions-
@versicherung
@UnterstuNtzungs-
@verein
@Volkspension (Grundpension)
@Familien von
@SelbstaNndigen
@Ehefrauen von
@Arbeitnehmern
@private
@Arbeitnehmer
@ON ffentlich
@Bedienstete

@

@@@ FuNr die Grundpension, die in den Formen Alter, Behinderung und Hinterbliebene gezahlt wird, werden die BeitraNge individuell entrichtet. Das gegenwaNrtige Leistungsniveau der Altersgrundpension wurde so festgesetzt, daƒÀ sie in etwa den grundlegenden Ausgaben eines alleinstehenden uNber 65 jaNhrigen entspricht. NichterwerbstaNtige Ehegatten von Arbeitnehmern konnten zuvor frei uNber den Beitritt zur Volkspensionsversicherung entscheiden, liefen jedoch, wenn sie darauf verzichtet hatten, Gefahr, im Falle einer Scheidung keine Pension und keine Behindertenpension beziehen zu koNnnen. Dadurch daƒÀ mit der Revision von 1985 jeder beitritt, ist daƒÀ Recht der Frauen auf Pension gestaNrkt worden.
@@@ Bis zur Revision von 1989 wurde das Leistungsniveau gleitend angepaƒÀt, falls die Steigerungsrate der Verbraucherpreise 5“ uNberschritt. Dieses Kriterium hat man jedoch abgeschafft, danach wird die Pensionssumme gaNnzlich entsprechend der Rate der Preisschwankungen neu festgelegt. Andererseits kam es zu einer Anhebung der Rate der VersicherungsbeitraNge. AuƒÀerdem wurden Studenten uNber 20 Jahre, denen der Beitritt bis dahin freigestanden hatte, nun zu diesem verpflichtet. Grund dieses Beitragszwangs war, daƒÀ Studenten uNber 20 Jahre, die nicht Mitglied der Volkspensionsversicherung waren, im Falle einer Behinderung keine Pension gezahlt bekommen konnten.
@@@ Mit der Revision von 1994 wurde eine Neubewertung des Auszahlungsalters der vollstaNndigen Pension vorgenommen. FuNr nach dem 02. 04. 1941 geborene MaNnner stieg es vom 60. auf das 61. Lebensjahr. WaNhrend des einen dazwischenliegenden Jahres wird ihnen nur die dem Verdienstproporz entsprechende Teilpension gezahlt. Danach wird das Pensionsalter im Drei-Jahres-Abstand um ein Lebensjahr angehoben, so daƒÀ es im Jahre 2013 fuNr alle bei 65 Jahren liegen wird. Vom Jahr 2013 an wird zwischen dem 60. und dem 64. Lebensjahr eine‡ Teilpension gezahlt werden, die ungefaNhr der HaNlfte der Unternehmens-Sozialpension entspricht.
@@@ Wurde einerseits der Inhalt der Leistungen leicht verbessert, so andererseits die Beitragsrate neu festgesetzt und angehoben. Des weiteren wird seit 1995 vom jaNhrlich dreimaligen Bonus je 1“ (das Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur HaNlfte tragen) erhoben. AuƒÀerdem wird man seit April 1995 fuNr die Dauer des Erziehungsurlaubs (bis zur Vollendung des ersten Lebensjahrs) von den Beitragszahlungen fuNr die Unternehmens-Sozialpension befreit, wenn man als Versicherte dies beim Gouverneur der PraNfektur beantragt (vom Monat der Beantragung bis zum Vormonat des Monats, in den der auf den letzten Tag des Erziehungsurlaubs folgende Tag faNllt).
@@@ Im japanischen Pensionssystem muƒÀ man 25 Jahre eingezahlt haben, um das Recht auf Empfang einer Pension zu erwerben. Somit zahlten AuslaNnder, die sich nicht so lange in Japan aufhielten, die BeitraNge umsonst, und es gab deshalb auch viele, die der Pensionsversicherung nicht beitraten. In diesem Punkt gibt es seit April 1995 eine Neuregelung : Wer in Japan laNnger als sechs Monate PensionsversicherungsbeitraNge eingezahlt hat, erhaNlt eine dem Mitgliedszeitraum entsprechende Austrittsab‚†‚‰ ndung, wenn er seinen Anspruch innerhalb von zwei Jahren, gerechnet vom Tage des Verlust des Versichertenstatus an, geltend macht.

@

@ 2. Die Aufgabe des oNffentlichen Pensionssystems

@@@ Anhand der Neuregelungen der juNngsten Zeit habe ich die gegenwaNrtige Lage des oNffentlichen Pensionssystems in Japan umrissen. Die drei groƒÀen Revisionen seit 1985 brachten einige leichte Verbesserungen, von ihrer grundlegenden Tendenz her laufen sie jedoch auf eine ErhoNhung der BeitraNge hinaus. Das zeigt die Anhebung der Beitragsrate ebenso wie die Anhebung des Pensionsalters. Als Folge sind bereits einige negative Auswirkungen aufgetreten.
@@@ Die Gesamtzahl der Beitragszahler im oNffentlichen Pensionssystem belief sich 1992 auf 68,941,000, die der Versicherten Nr. 1 in der Volkspensionsversicherung (der SelbstaNndigen) auf 18,508,000. Die VersicherungsbeitraNge fuNr Personen, die keine Arbeitnehmer sind, liegen sehr hoch, auch wenn sie nicht die Lasten eines Arbeitgebers tragen muNssen, und da es sich um ein Pauschalsummensystem ohne Beziehung zum Einkommen handelt, sind die Belastungen fuNr Niedrigverdiener besonders hoch. 1995 betraNgt der monatliche Versicherungsbeitrag 11,700 Yen, aber es gibt viele, die diesen nicht bezahlen koNnnen. Erhebungen von 1990 zufolge waren damals 2,162,000 Personen von den Beitragszahlungen der Volkspensionsversicherung befreit, und 2,224,000 Personen befanden sich mit ihren Zahlungen im RuNckstand. Rechnet man noch diejenigen hinzu, die nicht versichert sind, dann zahlen mehr als 30“ keine regelmaNƒÀigen BeitraNge. Das bedeutet eine AushoNhlung des Systems. Bei der Neuregelung von 1994 kam es deshalb zu Diskussionen. Um dem Anstieg der BeitraNge Einhalt zu gebieten, wurde vereinbart, bis zur naNchsten Revision, die in fuNnf Jahren geplant ist, eine ErhoNhung der Zuwendungen aus der Staatskasse von gegenwaNrtig einem Drittel auf die HaNlfte zu pruNfen.
@@@ Damit das oNffentliche Pensionssystem als StuNtze der Lebenssicherheit im Alter fungieren kann, ist es auƒÀerdem notwendig, das Niveau der Leistungen zu uNberpruNfen. Im MaNrz 1992 betrug die Zahl der AlterspensionsempfaNnger 17,201,466, aber die durchschnittliche Monatspension betrug fuNr die 55.7“ EmpfaNnger der Volkspension (8,903,453 Personen) nur 37,350 Yen und fuNr die 683,101 EmpfaNnger der dorthin fuNhrenden UN bergangspension nur 30,925 Yen. Im Vergleich zur Unternehmens-Sozialpension von 156,512 Yen und der UnterstuNtzungspension (fuNr Staatsbeamte) von 203,491 Yen zeigt sich ein starkes GefaNlle. Betrachtet man jedoch die Pensionssumme bei den EmpfaNngern der Unternehmens-Sozialpension, so erhalten 19“ der MaNnner monatlich weniger als 40,000 Yen und 43“ weniger als 120,000 Yen, womit man kaum von einer Lebenssicherung abhaNngiger BeschaNftigter im Alter sprechen kann. Diese Lage eines sich selbst in Frage stellenden Pensionssystems kann man keineswegs weiter auf sich beruhen lassen.

@

@

III. D ie gegenwaNrtige Lage des Krankenversicherungssystems und die Aufgaben der Gesundheitssicherung

@ 1. UN berblick uNber die Krankenversicherungen

@@@ In Japan gibt es durch das 1958 geschaffene Volkskrankenversicherungsgesetz seit April 1961 ein alle BuNrger erfassendes System, und jeder ist bei einer der verschiedenen Krankenversicherungen versichert. Die Krankenversicherungen lassen sich im groben untergliedern in die nach Berufsgruppen gebildeten berufszweigspezi‚†‚‰ schen Versicherungen und die regionalen Versicherungen, die die Bewohner einer bestimmten Region erfassen (vgl. Tafel : UN berblick uNber das japanische System der Krankenversicherungen).

@

@ 2. Krankenversicherung fuNr AN ltere

@@@ Mit der Alterung der BevoNlkerung steigen der Bedarf und die Kosten fuNr die medizinische Versorgung AN lterer, was sich auch in der Finanzlage der Volkskrankenversicherung widerspiegelt, in der der Anteil AN lterer sehr groƒÀ ist. Infolge des 1972 revidierten AltenfuNrsorgegesetzes wurde den uNber 70 jaNhrigen ein bestimmter Teil des Krankenversicherungs-Selbstkostenbeitrags gezahlt, was sich bis 1983 dahingehend auswirkte, daƒÀ die Versorgung AN lterer unentgeltlich zu werden schien. Seitdem aber sind die medizinischen Kosten gestiegen, und die Finanzen der Versicherung haben sich immer weiter verschlechtert. Im Zusammenhang mit diesem Kostenproblem erwiesen sich die sogenannten‡ bettlaNgerigen AN lteren zunehmend als gesellschaftliches Problem, waNhrend die Einsicht in die Wichtigkeit von Versicherungen und Rehabilitation AN lterer stieg. 1982 wurde das Altengesundheitsgesetz erlassen, im Februar 1983 trat es in Kraft.
@@@ Damit wurde im japanischen System medizinischer Leistungen erstmals die Einheit von Versicherung, Vorbeugung, Therapie und Rehabilitation verwirklicht. Gleichzeitig wurde die Volkskrankenversicherung von dem Kostendruck der Versorgung AN lterer enthoben. Zur hauptsaNchlichen Geldquelle wurden die ZuschuNsse der Arbeitnehmerkrankenversicherungen und der Volkskrankenversicherungen. Hinsichtlich der medizinischen Leistungen ging man auƒÀerdem dazu uNber, die Versicherungspunkte fuNr aNrztliche Behandlungen anders als bei den anderen BuNrgern zu berechnen und fuNhrte einen ZuschuƒÀ in Gestalt einer festgesetzten Summe ein.

@

@ 3. Die Aufgaben der Gesundheitssicherung

@@@ In dem 1979 auch von Japan rati‚†‚‰ zierten internationalen Vertrag uNber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte heiƒÀt es :‡ Die vertragsschlieƒÀenden Staaten erkennen an, daƒÀ alle Menschen das Recht besitzen, koNrperliche und geistige Gesundheit auf hoNchstmoNglichem Niveau zu genieƒÀen (Artikel 12, Absatz 1). Als MaƒÀnahme zur vollstaNndigen Verwirklichung dieses Rechts werden angefuNhrt die Verbesserung der hygienischen Bedingungen in Umwelt und Industrie (Artikel 12, Absatz 2 b) sowie die Schaffung von Bedingungen, die im Krankheitsfalle allen Menschen medizinische Behandlung und Pflege sichern. Diese Sicherung der groNƒÀtmoNglichen Gesundheit eines jeden jederzeit und an jedem Ort bildet eine wichtige Komponente des Ideals der Gesundheitssicherung, aber hinsichtlich der Umsetzung dieses Rechts erweisen sich die gegenwaNrtigen Krankenversicherungen als mit vielen Problemen behaftet.
@@@ So ist beispielsweise darauf hinzuweisen, daƒÀ im Falle des bereits erwaNhnten Altengesundheitsgesetzes, das nur die uNber 70 jaNhrigen betrifft, auch im Inhalt Unterschiede gemacht werden. Da das monatliche Maximum an Versicherungspunkten streng begrenzt ist, kommt es dazu, daƒÀ man aNlteren Patienten die Aufnahme ins Krankenhaus verweigert, was sich zu einem sozialen Problem entwickelt hat.
@@@ Bei den Arbeitnehmerkrankenversicherungen und der Volkskrankenversicherung gibt es Unterschiede in der ZuschuƒÀrate, was sich im Lichte des internationalen Menschenrechtsvertrags als Diskriminierung durch den Produktionssektor darstellt.
@@@ Bei der Volkskrankenversicherung, die von den Kommunen getragen wird,‚†‚‰ nden sich aNhnliche‚†‚‰ nanzielle Probleme, wie sie bereits fuNr die Volkspension angesprochen wurden. Dieser Krankenversicherung gehoNren alle diejenigen an, die einer Arbeitnehmerkrankenversicherung nicht beitreten koNnnen, wie AN ltere, SelbstaNndige und BeschaNftigte der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Ein Blick auf die Einkommensverteilung bei diesen Versicherten zeigt, daƒÀ es unter ihnen viele mit einem relativ niedrigen Einkommen gibt : Bei ungefaNhr 70“ lag das Jahreseinkommen 1990 unter zwei Millionen Yen. Auch von der Altersstruktur her ist die Schicht derjenigen mit einem hohen medizinischen Versorgungsbedarf sehr groƒÀ : Ein Drittel sind AN ltere und 18.9“ zwischen 60 und 70 Jahren (1991). Da es ausgesprochen viele Niedrigverdiener und Notleidende gibt, erhalten 23.6“ der versicherten Familien ZuschuNsse zu den KrankenversicherungsbeitraNgen. Die Kassierungsrate der VersicherungsbeitraNge lag 1991 bei 94.16“, die Gesamtsumme der Beitragseinnahmen belief sich auf 2.8 Billionen Yen. Diese decken aber nur 40“ der jaNhrlichen Gesamtausgabe von 6.5 Billionen Yen, so daƒÀ noch einmal ungefaNhr die gleiche Summe aus der Staatskasse hinzukommt. Hierbei wechselt man sich zwar mit der Arbeitnehmerversicherung ab, aber die‚†‚‰ nanzielle Lage der Volkskrankenversicherung bleibt aNuƒÀerst angespannt. AuƒÀerdem ist die Kassierungsrate im Sinken begriffen, da der Versorgungsbedarf sehr hoch und der Anteil der Beitragskosten am Einkommen sehr groƒÀ ist (so waren beispielsweise, Untersuchungen von 1988 zufolge, Familien mit einem Einkommen auf der HoNhe des FuNrsorgeniveaus jaNhrlich 200,000 Yen VersicherungsbeitraNge auferlegt). Diese Tendenz hat sich seit der KuNrzung der staatlichen ZuschuNsse 1984 als schwerwiegendes Problem erwiesen. Der Beitragssatz der Volkskrankenversicherung wird von den Kommunen erhoben und anhand der Familie festgelegt. Mit der GesetzesaNnderung von 1986 wurde jedoch durchgesetzt, ZahlungsruNckstaNndigen als StrafmaƒÀnahme den Versicherungsausweis zu entziehen. Seit EinfuNhrung dieser MaƒÀnahme gab es landesweit einige schockierende TodesfaNlle von Kranken, die keine medizinische Behandlung erhalten konnten.
@@@ AbschlieƒÀend sei noch auf die Anwendung der Ersten Hilfe auf AuslaNnder eingegangen, die sich gesetzwidrig im Lande aufhalten. Der Vortrag der Vereinten Nationen uNber den Schutz der Rechte auslaNndischer Arbeitnehmer und ihrer Familien lehnt die Verweigerung medizinischer Hilfe aus GruNnden gesetzwidrigen Wohnens oder Arbeitens im Sinne des Grundsatzes der Gleichbehandlung von In- und AuslaNndern ab. Aber die japanische Regierung hat sich diesem Problem gegenuNber bislang passiv verhalten, so daƒÀ sich wiederholt tragische, toNdlich endende Situationen ereignen, in denen Notpatienten die Aufnahme in ein Krankenhaus verweigert wird und aNrztliche Hilfe zu spaNt kommt. Andererseits hat sie denjenigen KrankenhaNusern und kommunalen medizinischen Einrichtungen, die solche Patienten bereitwillig aufnahmen,‚†‚‰ nanzielle BuNrden aufgezwungen. In juNngster Zeit aNuƒÀerte das beratende Organ des Sozialministers auf Anfragen, daƒÀ man die Anwendung der Krankenversicherung in Zukunft anerkennen solle, aber in diesem Punkte sind sofortige Verbesserungen notwendig.

@

IV. SchluƒÀbemerkungen

@@@ Man kann behaupten, daƒÀ in Japan bewuƒÀt ein negatives Bild der alternden Gesellschaft propagiert wird und daƒÀ man sich dessen bedient, um die EinschraNnkung von Leistungen sozialer Sicherheit und die steigende Kostenbelastung der BuNrger voranzutreiben. DaƒÀ dies eine Reihe schwerwiegender Probleme mit sich bringt, ist verdeutlicht worden. Die japanische Regierung nimmt es besonders bei den Sozialversicherungssystemen sehr genau mit der Durchsetzung der Theorie, betont das Gleichgewicht der‚†‚‰ nanziellen Bilanzen und strebt eine Senkung der StaatskassenzuschuNsse an. Damit schwoNrt sie eine Verletzung der Idee und des Charakters der Versicherungen als soziale Sicherheitssysteme herauf. Gefordert sind Forschungen zu juristischen Prinzipien, die es erlauben, die Wahrung der MenschenwuNrde durch die Sozialversicherung zu einer juristischen Norm zu erheben und der Regierung die HaNnde zu binden. Dabei ist es wichtig, kritisch die Bewegungsrichtung der Politik, die unnuNtz Unsicherheit im Volke schuNrt, sowie die sich daraus ergebende Problemlage zu analysieren. Gleichzeitig halte ich es fuNr notwendig, Gesetzgebungen, die auf die alternde Gesellschaft angemessen zu reagieren vermoNgen, gruNndlicher zu studieren.
@@@ In diesem Sinne ist der Austausch uNber die Erfahrungen Deutschlands als eines Landes mit fortgeschrittener Alterung, das Japan sowohl von der Wirtschaft als auch vom Rechtssystem her nahe steht, und die gemeinsame Forschungsarbeit, von Bedeutung.

Tafel : UN berblick uNber das japanische System der Krankenversicherungen
Versicherte Versich-
ernde
Mitglieder
(in Mio.)

Betragszahler/
Familienange-
hoNrige
von der Versicherung getragene Kosten Beitragsrate ZuschuNsse aus
der Staatskasse
Anteil an
AN lteren
(vorlaNu‚†‚‰ ge
Werte)
medizinische
Normalversorgung
bei hohen Be-
handlungs-
kosten
Kranken-
versiche-
rung in
Regier-
ungsver-
waltung
hauptsaNchlich
Arbeitnehmer
von Klein- und
Mittehmterneh
men
Staat 3729
(1987/1832)
beirn Beitragszahler 90“

bei FamilienangehoNrigen
80“

bei ambulanter
Behandlung
70“
Selbstkosten-
beitrag
6300/Monat


bei Niedrig-
verdiener bis
maximal
35000/Monat,
daruNber zahlt
die Versiche-
rung


(Stand : Mai
f93)
8.2“ des Standardver-
diensts(April f92) Sonder-
rate 1.0“
13“ der Kosten
(16“ durch
Altenversiche-
rung)
4.9“
Kranken-
versiche-
rung in
genossen-
schafts-
verwaltung
hauptsaNchlich
Arbeitnehrner
von GroƒÀun-
ternehmen
Kranken-
versiche-
rungs-
genos-
senschaft
1823
3254
(1541/1713)
8.3“ des Standardven-
dienstes
(Genossenschaftsdurch-
schnitt April f92)
UnterstuNzung
mit 1.85 Mrd.
2.9“
Unter- stuNtzungs- verein oNffentliche
Bedienstete
Unter-
stuNzungs-
verein
1183
(506/677)
8.3“ des Standardverdien-
stes
(Genossenschaftsdurch-
schnitt April f92)
keine 3.9“
Volks-
kranken-
ver-
sicherung
BeschaNftigte
in der
Landwirtschaft,
SelbstaNndige
u. a.
Komm-
unen
3253
Genoss-
enschaf-
ten 166
4243
(Kommunen
3798
Volksversiche-
rungsgenossen-
schaft 445)
70“ 50“ der
Kosten und
10 Mrd
Beitrags-
unterstuNzung
17.5“
aus einer
Arbeitnehmerver-
sicherung
Ausgeschiedene
Komm-
unen
3253
beim Beitragszahler 80“
bei Krankenhausaufenthalt
von FamilienangehoNrigen
80“
bei ambulanter
Behandhrng 70“
32-50“ der
Kosten
Altenge-
sundheit
uNber 70 jaNhrige,
BettlaNgrige uNber-
65 u. a.
BuNrger
meister
1033
(vorlaNufiger
Wert)
ZuschuƒÀsumme(April f93)
bei ambulanter Behandlung 1000/Monat
bei Krankenhausaufenthalt 700/Tag (fuNrNiedrigverdiener bis zu 2 Monaten
300/Tag)
Kostenlasten(Januar f91)
Staat 12/60
PraNfektur 3/60
Kommune 3/60
Versichernder 42/60
aber bei Kosten in Einrichtungen der
Altenversicherung
Staat 20/60
PraNfektur 5/60
Kommune 5/60
Versichernder 30/60
durchschnittlich
8.6“ aller in
den vers-
chiedenen
Systemen
versicherten
ANlteren