RITSUMEIKAN LAW REVIEW No.16 March 2000


Die Entwicklung der Umweltproblematik und des Umweltrechtes in Japan

- Vergleich der Charakteristika mit Deutschland -
 
 

Ryochi YOSHIMURA





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Einleitung

@@@ Deutschland und Japan sehen sich als hochentwickelte Industriestaaten seit den 1960er Jahren gleichermaƒÀen mit schwerwiegender Umweltverschmutzung konfrontiert und haben seither verschiedenste Anstrengungen zu deren UN berwindung unternommen. Jedoch ist die LoNsung der Umweltprobleme auch gegenwaNrtig noch eine der wichtigsten Aufgaben fuNr beide LaNnder. Hinsichtlich global dimensionierter Umweltprobleme, wie z. B. der ZerstoNrung der Ozon-Schicht, haben beide LaNnder eine wichtige internationale Rolle zu spielen. Betrachtet man diese Position und Gemeinsamkeiten in der jeweiligen Situation, so gilt es in vielen Punkten voneinander zu lernen.
@@@ Zugleich sind Umweltprobleme in beiden LaNndern auf sehr verschiedene Weise zutage getreten. So ist es in Japan zuerst zu schwerwiegenden menschlichen Opfern durch Umweltverschmutzung gekommen. In diesem Punkt unterscheidet es sich von Deutschland, wo SchaNdigungen der natuNrlichen Umwelt, wie z. B das Waldsterben, Aufmerksamkeit erregt haben. Ferner existieren betraNchtliche Unterschiede hinsichtlich der gesellschaftlichen Bedingungen fuNr die LoNsung von Umweltproblemen, so in bezug auf die rechtliche Lage, die politischen Mechanismen, das BuNrgerbewuƒÀtsein und den alltaNglichen Lebensstil. Dadurch bedingt unterscheidet sich auch die Art und Weise der Reaktion auf Umweltprobleme (BuNrgerbewegungen, Umweltpolitik, Umweltrecht) zwischen beiden LaNndern. Im weiteren moNchte ich nun die Merkmale der Umweltproblematik und der darauf reagierenden Politik sowie des entsprechenden Rechts in Japan vorstellen und diese mit Deutschland vergleichen.

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I. Die geschichtliche Entwicklung der Umweltproblematik in Japan

@@@ 1 . Die schwerwiegenden SchaNdigungen in der Periode des hohen Wirtschaftswachstums und Fortschritte bei den GegenmaƒÀnahmen

@@@ ZunaNchst moNchte ich einen UN berblick uNber die Geschichte der Umweltproblematik und des Rechts in Japan geben. Die japanische Industrie ist infolge des Zweiten Weltkriegs substantiell zerstoNrt worden. Danach erlebte die japanische Wirtschaft eine rasche Wiederbelebung und insbesondere ab der zweiten HaNlfte der 50er Jahre einen neuen Aufschwung. Diese industrielle Entwicklung brachte zugleich groƒÀe Probleme mit der Umweltverschmutzung hervor. Insbesondere die riesigen Anlagenkomplexe der chemischen und Schwerindustrie, die sich in den pazi‚†‚‰ schen KuNstenregionen konzentrierten, verursachten Lutftverschmutzungen von bedenklichem AusmaƒÀ durch die Emission von industriellen Schadstoffen. Weiterhin verursachten in die FluNsse und MeereskuNstenregionen abgeleitete Haushalts- und IndustrieabwaNsser eine schwerwiegende Wasserverschmutzung. Auch die QualitaNt staNdtischer Lebensumwelt verschlechterte sich, weil die entsprechende Wohn- und Lebensinfrastruktur trotz rapider Urbanisierung nicht ausreichend entwickelt wurde.
@@@ FuNr alle Industriestaaten kann mehr oder minder davon ausgegangen werden, daƒÀ es in der Wachstumsperiode zum Entstehen der Umweltproblematik gekommen ist. FuNr Japan gilt jedoch als Besonderheit, daƒÀ nicht nur Verschmutzungen bzw. SchaNdigungen der natuNrlichen Umwelt, sondern Todesopfer und schwere GesundheitsschaNdigungen in groƒÀem Umfang aufgetreten sind. In diesem Zusammenhang ist besonders die sogenannte Minamata-Krankheit bekannt geworden. Quecksilberhaltige AbwaNsser aus einer Industrieanlage in der Stadt Minamata/Kyushu waren in das Meer abgeleitet worden, und eine Vielzahl von Anwohnern, die in dieser Region gefangenen Fisch gegessen hatten, erlitt schwere durch Quecksilber verursachte SchaNdigungen des Zentralnervensystems. Diese Opfer wurden Ende der 50er Jahre oNffentlich bekannt. Ihre Zahl, einschlieƒÀlich der Todesopfer, belaNuft sich auf mehrere tausend Menschen. Ein exemplarischer Fall fuNr Luftverschmutzung war das Chemiewerk der Stadt Yokkaichi. Schadstoffe wurden aus der nach dem Zweiten Weltkrieg in der Stadt Yokka, PraNfektur Mie, errichteten ErdoNl-Raf‚†‚‰ neriegroƒÀanlage in die Luft abgeleitet und verursachten eine dauerhafte Luftverschmutzung. Insbesondere Schwefeldioxid fuNhrte hauptsaNchlich in den 60er Jahren bei vielen Menschen zu schweren Erkrankungen der Atemwege (z. B. Asthma).
@@@ Es gibt daruNber hinaus eine Vielzahl von weiteren tragischen ZwischenfaNllen. Ihnen allen ist gemeinsam, daƒÀ sie mit der raschen Nachkriegsentwicklung der japanischen Wirtschaft aufgetreten sind.
@@@ Die oNffentliche Verwaltung und das Recht in Japan haben in Reaktion darauf bis in die zweite HaNlfte der 60er Jahre eine in keiner Weise angemesse PraNvention von Umweltverschmutzungen und Wiedergutmachung fuNr die Opfer betrieben. Dies fuNhrte zur Entstehung und Verbreitung einer BuNrgerbewegung, die die PraNvention von Umweltverschmutzungen und Wiedergutmachung fuNr die Opfer einforderte. Da diese Bewegung zunaNchst von kommunalen Verwaltungen verlangte, UmweltschutzmaƒÀnahmen zu verstaNrken, kam es in diesem Bereich zu entsprechenden Fortschritten. Landesweit wurden vom Ende der 60er bis zu Beginn der 70er Jahre verschiedene Gesetze erlassen. Ferner wurde 1971 das Umweltamt eingerichtet.
@@@ Betrachtet man die Restriktionen fuNr die Emission von Schadstoffen, dann gab es damals keine strengen staatlichen Vorschriften. Es waren zuerst die Kommunen, die entsprechende MaƒÀnahmen einleiteten und strenge Richtwerte festlegten. So hat die Stadt Tokyo 1969 eine eigenstaNndige Gemeindeverordnung zur Verhinderung von UmweltschaNden erstellt und darin strengere Restriktionen eingefuNhrt, als die entsprechenden staatlichen Vorschriften vorsahen. Der Staat hat damals diese uNber die landesweiten Gesetze hinausgehenden kommunalen Restriktionen als rechtswidrig angefochten. Unter dem Druck der oNffentlichen Meinung ist es dann 1970 zu einer Gesetzesnovellierung gekommen, die auch Restriktionen der PraNfekturen anerkennt, welche in ihrer Strenge uNber staatliche Gesetze hinausgehen.
@@@ Ferner gab es in den 70er Jahren Fortschritte bei der Wiedergutmachung von GesundheitsschaNdigungen, die durch Umweltverschmutzung hervorgerufen wurden. Opfer von GesundheitsschaNdigungen durch Luft- und Wasserverschmutzung forderten Wiedergutmachung auf zivilrechtlicher Grundlage gerichtlich ein. Unternehmen sind nun verpflichtet, dafuNr zu sorgen, daƒÀ die Gesundheit von Anwohnern nicht durch den Betrieb von Anlagen geschaNdigt wird (Pflicht zur Ermittlung der Gesundheitswirkung von Emissionsstoffen und Pflicht zur Beseitigung von Schadstoffen). Kommt es im Gefolge unzureichender Vorsorge zu SchaNden, haben sich die Unternehmen zivilrechtlich fuNr FahrlaNssigkeit zu verantworten und zur Wiedergutmachung von SchaNdigungen Schadensersatz zu leisten. Japanische Gerichte haben zu Beginn der 70er Jahre Urteile erlassen, in denen auf FahrlaNssigkeit der angeklagten Unternehmen befunden und Schadensersatzleistungen zugesprochen wurden. Ferner wurde wegen des bisher enormen zeitlichen Aufwandes fuNr gerichtlich herbeigefuNhrte Wiedergutmachung ein Schnellverfahren eingefuNhrt. Diese Regelungen sehen vor, daƒÀ erkrankten Personen, die als Gesundheitsopfer von Umweltverschmutzungen anerkannt sind, EntschaNdigungsgeld gezahlt wird. Im Falle der Atemwegserkrankungen durch Luftverschmutzung sind bis zu 100,000 Menschen als Opfer anerkannt und insgesamt pro Jahr ungefaNhr 100 Mrd. Yen EntschaNdigungsgelder gezahlt worden.

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@@@ 2. Der mit dem ErdoNlschock einsetzende Wandel und die neuesten Entwicklungen

@@@ Mitte der 70er Jahre suchte der ErdoNlschock die entwickelten IndustrielaNnder heim. Dieser ErdoNlschock hat auch auf die Wirtschaft Japans einen groƒÀen EinfluƒÀ gehabt. Der Schwerpunkt der staatlichen Politik verlagerte sich von UmweltschutzmaƒÀnahmen zu einer PraNferierung der Wirtschaft bzw. wirtschaftlicher Interessen. Es kam eine Zeit der Stagnation bzw. der RuNckschlaNge in der Umweltpolitik. Besonders schwerwiegend war die weitgehende Lockerung der Umweltrichtlinien fuNr Stickstoffoxyde im Jahre 1978. Diese 1973 eingefuNhrten Richtlinien waren die weltweit strengsten. Sie wurden (von 0.02 auf 0.06 ppm) auf das Dreifache angehoben und dadurch gelockert. Hatte sich die Umweltsituation zu diesem Zeitpunkt derartig verbessert, daƒÀ strenge UmweltmaƒÀnahmen nicht mehr notwendig waren ? Keineswegs. So macht die graphische Darstellung im beigefuNgten Material deutlich, daƒÀ sich zum Beispiel bei der Luftverschmutzung durch Stickstoffoxyde die Lage nicht verbessert hatte.
@@@ Anzeichen von VeraNnderungen traten in Japan gegen Ende der 80er Jahre zutage. Entscheidende Ursache dafuNr waren internationale Entwicklungen, denn Ende der 80er Jahre wurde die Umweltproblematik zum groNƒÀten internationalen Problem nach dem Ende des Kalten Krieges. 1989 wurde die Umweltproblematik erstmals auf dem Gipfel von Algier thematisiert. 1992 wurde die UN-Umweltschutz- und -Entwicklungskonferenz in Brasilien abgehalten und‡ sustainable development zum gemeinsamen sozialen Ziel erklaNrt. Diese internationalen Entwicklungen haben auch auf Japan eine groƒÀe Wirkung ausgeuNbt. So wurde 1993 ein Umweltgrundlagengesetz eingefuNhrt, das den grundlegenden Rahmen und die Richtung der japanischen Umweltpolitik bestimmte.

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II . Der derzeitige Stand der Umweltproblematik in Japan und diesbezuNgliche Aufgaben

@@@ 1. Aktuelle Umweltprobleme in Japan

@@@ Wie bereits oben erwaNhnt, hat die Industrie Japans, die seit der zweiten HaNlfte der 50er Jahre eine schwunghafte Entwicklung genommen hatte, damit gleichzeitig in groƒÀem AusmaƒÀ ernsthafte Umweltverschmutzungen und schwerwiegende SchaNdigungen verursacht. In Reaktion darauf kamen mit der zweiten HaNlfte der 60er Jahre verschiedenste MaƒÀnahmen zu breiter Wirkung, und es war in den 70er Jahren ein zunehmender RuNckgang von unmittelbar lebens- und gesundheitsgefaNhrdenden Umweltverschmutzungen zu registrieren. Gleichwohl ist die Umweltproblematik im heutigen Japan keinesfalls ein der Vergangenheit angehoNrendes Problem. Als repraNsentative Probleme lassen sich folgende benennen :

a)@ Wiedergutmachungsprobleme von SchaNdigungen, die bis in die 60er Jahre hinein aufgetreten waren, sind teilweise noch nicht geloNst. Als besonders schwerwiegend ist die Minamata-Krankheit anzufuNhren. Noch immer sind tausende Opfer ohne jede EntschaNdigungszahlung. Das schadensverursachende Unternehmen verfuNgt nicht uNber die Finanzkraft, alle Opfer zu entschaNdigen, so daƒÀ staatliche Wiedergutmachung erforderlich ist. Jedoch ist umstritten, welche Patienten mit welchen Krankheitsbildern als Minamata-Erkrankte anzuerkennen sind, in welchem AusmaƒÀ zu entschaNdigen ist, und ob der Staat uNberhaupt fuNr eine derartige Wiedergutmachung verantwortlich ist.

b)@ Die durch ErdoNl-Kombinate verursachte Luftverschmutzung war besonders in den 60er Jahren schwerwiegend. Danach nahm die durch Schwefeldioxid verursachte Verschmutzung als Folge strenger staatlicher und kommunaler Restriktionen ab. DemgegenuNber nimmt die durch Stickstoffdioxid verursachte Verschmutzung neuerdings eher zu, insbesondere die durch Autoabgase verursachte Verschmutzung entlang der HauptverkehrsstraƒÀen. Die Daten der entlang von HauptverkehrsstraƒÀen eingerichteten LuftverschmutzungsmeƒÀeinrichtungen weisen etwa bei 30“ der MeƒÀstellen Werte oberhalb selbst der 1978 stark gelockerten Richtwerte von 0.06 ppm aus. Im Juli 1995 ist ein Urteil ergangen, das den gesundheitsgefaNhrdenden EinfluƒÀ der Autoabgase entlang der LandesstraƒÀe und Autobahn zwischen Kobe und Osaka anerkennt und eine EntschaNdigungspflicht des diese StraƒÀen unterhaltenden bzw. verwaltenden Staates bzw. seiner Einrichtungen bejahte. Japan hatte bereits 1978 zu einem, international gesehen, sehr fruNhen Zeitpunkt strenge Autoabgasvorschriften erlassen. Zudem schritt auch die Verbesserung der Automotoren voran. Aber die Anzahl der registrierten Fahrzeuge nahm rasch zu, der Verkehr konzentrierte sich auf staNdtische Gebiete, die Zahl der Lkw mit Dieselmotoren und entsprechend hohem AusstoƒÀ von Stickstoffdioxid ist sehr hoch, und infolge dessen hat sich die Luftverschmutzung leider nicht entscheidend verbessert.

c)@ Auch der MuNll ist ein ernsthaftes Umweltproblem. So belief sich in Japan 1990 der Industrieabfall auf etwa 390 Mio. Tonnen im Jahr und der allgemeine Abfall auf etwa 50 Mio. Tonnen. Die Abfallhalden stehen unmittelbar davor, ihre KapazitaNtsgrenzen zu erreichen. Ferner tritt mit der MuNllverbrennung ebenfalls Umweltverschmutzung auf.

d)@ Die ZerstoNrung der natuNrlichen Umwelt wie KuNsten und Berge durch die Errichtung von GolfplaNtzen und anderen Freizeiteinrichtungen schreitet voran. Im Ergebnis der Konzentration von Menschen und Industrie in den staNdtischen Regionen kommt es in vielen landwirtschaftlich orientierten Dorf- und Bergregionen zu einem RuNckgang der BevoNlkerung. Zum Zwecke der regionalen WirtschaftsfoNrderung plant man nun in vielen FaNllen, Freizeiteinrichtungen wie Hotels und GolfplaNtze zu errichten. Jedoch kommt es dabei haNu‚†‚‰ g zur Abholzung von WaNldern, dem massiven Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und anderen Formen der NaturzerstoNrung. Restriktionen gegen derartige NaturzerstoNrung sind zu verstaNrken. Die japanische Regierung hat die Absicht, die regionale Wirtschaftsentwicklung zu foNrdern, tendiert aber eher dazu, existierende Vorschriften zu lockern. Insbesondere wurde 1987 ein sogenanntes Ressort (Freizeitanlagen)-Gesetz eingefuNhrt. Dieses Gesetz zielt darauf ab, die Errichtung von Freizeitanlagen zu foNrdern und hebt BodennutzungsbeschraNnkungen auf bzw. lockert sie. Dies wiederum verschaNrft die oben genannten Probleme.

e)@ In dem MaƒÀe, wie sich die Umweltvorschriften in Japan verschaNrften, kam es, um selbigen auszuweichen, zur Verlagerung von ProduktionsstaNtten in EntwicklungslaNnder mit weniger strengen Vorschriften (insbesondere in asiatische LaNnder). Welchen Umweltrichtlinien unterwerfen sich nun ins Ausland expandierende japanische Unternehmen ? Einer Untersuchung des Umweltamtes zufolge haben 61“ der befragten im Ausland taNtigen japanischen Unternehmen geantwortet, daƒÀ sie MaƒÀnahmen in UN bereinstimmung mit den Richtlinien des dortigen Landes treffen. 13“ der befragten Unternehmen gaben an, den japanischen Richtlinien zu folgen. Die in Japan guNltigen Richtlinien sind streng. Und die Zahlen belegen den hohen Anteil von Unternehmen, die im Ausland nicht die strengen japanischen, sondern die weniger strengen landesuNblichen Vorschriften beruNcksichtigen. DaruNber hinaus gibt es FaNlle, bei denen selbst diese weniger restriktiven Vorschriften nicht eingehalten und Umweltverschmutzungen hervorgerufen wurden.


@@@ So wird deutlich, daƒÀ die Umweltproblematik im heutigen Japan keineswegs ein Problem der Vergangenheit darstellt. Die Umweltpolitik ist aufgefordert, aus der Stagnation, die von der zweiten HaNlfte der 70er Jahre bis in die 80er Jahre hinein waNhrte, auszubrechen und in eine neue Entwicklungsphase einzutreten. Dabei hat das Umweltrecht eine groƒÀe Rolle zu spielen.

@@@ 2. Das neuere Umweltrecht in Japan

@@@ In der Umweltpolitik und im Umweltrecht im Japan der 70er Jahre ging es hauptsaNchlich um die GesundheitsschaNden und andere BeeintraNchtigungen des alltaNglichen Lebens infolge von Umweltverschmutzung. Einerseits fuNhrten Staat und Kommunen EmissionsbeschraNnkungen fuNr wirtschaftliche AktivitaNten ein, waNhrend sie andererseits Regelungen zur unverzuNglichen EntschaNdigung von Opfern trafen. Die strengen Vorschriften haben wiederum eine entsprechende Technologieentwicklung gefoNrdert.
@@@ Die Fortschrittlichkeit dieser Politik‚†‚‰ ndet sich auch in einem OECD-Report von 1977 gewuNrdigt. Doch gleichzeitig wurde der Nachholbedarf in den Bereichen alltaNgliche LebensqualitaNt und Naturschutz deutlich, worauf uNbrigens besagter Bericht auch hinweist.
@@@ Ferner erlebt die japanische Umweltpolitik seit der zweiten HaNlfte der 70er Jahre einen tendenziellen RuNckschlag. In den 80er Jahren wurde in der japanischen Politik die Idee des Neoliberalismus bestimmend, demgemaNƒÀ die staatlichen Restriktionen soweit wie moNglich zu lockern bzw. zu beseitigen sind. Jedoch durchbricht das 1993 angenommene Umweltgrundlagengesetz diese Stagnationstendenz und birgt in sich das Potential fuNr weitere Fortschritte in der japanischen Umweltpolitik. Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind aus der Sicht der Entwicklung des Umweltrechts in Japan in folgenden Punkten von fundamentaler Bedeutung :

a)@ Das bisherige japanische Umweltrecht ist zweigeteilt : zum einen in das durch das Grundgesetz gegen Umweltverschmutzung zentral begruNndete System (hier geht es um Umweltverschmutzung, die durch menschliche TaNtigkeit hervorgerufen wird und lebensbedrohende, gesundheitliche und das Alltagsleben beeintraNchtigende SchaNden verursacht) und zum anderen in das Naturschutzsystem, bestimmt durch das Naturschutzgesetz. Beide waren nicht ausreichend aufeinander bezogen und abgestimmt. Das neue Umweltgrundlagengesetz integriert nun beide Systeme.

b)@ Die bisherigen Methoden des Umweltschutzes beruhten in Japan auf zwei SaNulen : zum einen auf den SchadstoffemissionsbeschraNnkungen des Staates und der Kommunen und zum anderen auf der EntschaNdigung von Opfern durch zivilrechtliche Regelungen zur Verantwortung und EntschaNdigung. Dies allein wurde aber unzureichend angesichts der zunehmenden KomplexitaNt der Umweltprobleme, insbesondere hinsichtlich der Vielfalt von Verschmutzungsursachen. Das neue Umweltgrundlagengesetz verweist nun auf die Notwendigkeit solcher verschiedenen Mittel, wie z. B. der Festlegung eines Umweltschutzgrundlagenplanes (Paragraph 15) und der EinfuNhrung wirtschaftlich-‚†‚‰ nanzieller Mittel (Paragraph 22).

c)@ Das neue Umweltgrundlagengesetz bestimmt eindeutig als Ziel die auf dem Rio-Gipfel bestaNtigte‡ sustainable development (Paragraph 4). Ferner verweist es darauf, daƒÀ zur Verwirklichung dieses Zieles eine Korrektur der gegenwaNrtigen japanischen Gesellschaft, einschlieƒÀlich der Art und Weise der LebensfuNhrung, notwendig ist. Beides hat es als Merkmale des Umweltrechtes in Japan bisher nicht gegeben.


@@@ Gleichwohl handelt es bei dem Umweltgrundlagengesetz um ein Grundlagengesetz, das die anzustrebende Art und Weise der Umwelterhaltung anzeigt. Zur Verwirklichung seiner Zielvorgaben bedarf es konkreter Gesetzgebungen und verwaltungspraktischer MaƒÀnahmen. So ist eine den Zielvorgaben des Umweltgrundlagengesetzes verpflichtete Rechtsgebungs- und Verwaltungspraxis zu wuNnschen.
@@@ Um Umweltpolitik wirksam werden zu lassen, bedarf es im weiteren der aktiven Teilnahme der BuNrger als Rechtssubjekte am politischen Entscheidungs- und RealisierungsprozeƒÀ. Genau in diesem Punkt aber weist das japanische Rechtssystem einen Vielzahl von SchwaNchen auf. So ist ein Recht der BuNrger auf unversehrte Umwelt (Umweltanrecht) gerichtlich nicht anerkannt. Wege fuNr Umweltschutzvereine, gerichtlich auf Umwelterhaltung zu klagen wie in Deutschland, sind in Japan nicht gegeben. Die UmweltvertraNglichkeitspruNfung ist ebenfalls ungeregelt. Die Verbesserung in all diesen Punkten ist von Umweltschutzaktivisten und Rechtsanwaltskammern im ProzeƒÀ der Erarbeitung des Umweltgrundlagengesetzes letztlich ohne Erfolg gefoNrdert worden.
@@@ Ein besonders schwerwiegendes Problem besteht darin, daƒÀ es keine Bestimmungen fuNr eine UmweltvertraNglichkeitspruNfung gibt. Die UmweltvertraNglichkeitspruNfung ist fuNr die vorbeugende Verhinderung von Umweltverschmutzung unverzichtbar. In Japan existiert aber diesbezuNglich selbst heute noch kein staatliches Gesetz. Praktisch wird zwar eine UmweltvertraNglichkeitspruNfung durch Verwaltungskontrolle und -direktive sowie Kommunalverordnungen im Falle oNffentlicher Projekte durchgefuNhrt. Vieles ist dabei jedoch ungeregelt, so z. B. die Rechte und das Verfahren der BuNrgerbeteiligung.
@@@ Hinsichtlich der rechtlichen Regelung dieser Fragen wurden groƒÀe Erwartungen an das neue Gesetz gestellt, denen aber lediglich mit einer abstrakten Regelung in Paragraph 20 (derzufolge‡ die notwendigen MaƒÀnahmen zu treffen sind ) entsprochen wurde.
@@@ Was BuNrgerrechte an der Umwelt anbelangt, so existieren Kommunalverordnungen, die weit uNber die staatlichen Gesetze hinausgehen. Beispielsweise legt die Umweltgrundlagenverordnung der Stadt Kawasaki fest, daƒÀ die BuNrger ein Recht auf eine sichere, gesundheits- und lebensfreundliche Umwelt haben.

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@@@ 3 . Charakteristika der Umweltpolitik und des Umweltrechtes in Japan im Vergleich zu Deutschland

@@@ Nachfolgend werde ich die Charakteristika der bis hierher beschriebenen Umweltproblematik und des Umweltrechtes in Japan im Vergleich zu Deutschland herausarbeiten.

a)@ Erstens ist darauf hinzuweisen, daƒÀ sich in Japan das Problem der Umweltverschmutzung als Eingriff in BuNrgerrechte hauptsaNchlich durch GesundheitsschaNdigungen manifestierte und die meisten MaƒÀnahmen entsprechend auf die Wiedergutmachung derartiger SchaNdigungen sowie ihre PraNvention ausgerichtet waren. FuNr Deutschland hingegen ist davon auszugehen, daƒÀ die Umweltproblematik zu wesentlichen Teilen vom unmittelbaren Schutz der natuNrlichen Umwelt, wie z. B. im Zusammenhang mit der WaldzerstoNrung durch den sauren Regen, bestimmt ist. Wenn dem so ist, dann ist der oben genannte Punkt als Besonderheit der Situation in Japan zu bezeichnen. So kann man allein daran erkennen, wie schwerwiegend die Umweltverschmutzung in Japan gewesen ist. Zugleich bringt eine derart unterschiedlich hervortretende Umweltproblematik entsprechende Differenzierungen im Umweltrecht des jeweiligen Landes hervor. So wird mit Blick auf Strafregelungen bei Umweltverschmutzung deutlich, daƒÀ in Japan nicht der Tatvorgang der Umweltverschmutzung selbst zum Strafgegenstand gemacht wird, sondern die durch die Umweltverschmutzung hervorgerufenen SchaNdigungen von Leben, Gesundheit und VermoNgen bestraft werden. Es gibt also keine Festlegung wie im deutschen Umweltstrafrecht, der zufolge die Umwelt als solche ein Rechtsgut darstellt.

b)@ Zweitens hat die dem Umweltschutz verschriebene BuNrgerbewegung in Japan ihren Ausgangspunkt in der Bewegung der Opfer von Umweltverschmutzung (insbesondere GesundheitsgeschaNdigte) sowie der sie unterstuNtzenden Menschen. Ihr Ziel bestand im wesentlichen in der Wiedergutmachung und PraNvention von SchaNden. NatuNrlich existiert auch in Japan eine Bewegung, die den Schutz der natuNrlichen Umwelt fordert. Beide haben sich aber auf verschiedenen Wegen und auf unterschiedliche Weise entwickelt.

c)@ Drittens hat sich die BuNrgerbewegung in Japan hauptsaNchlich darauf konzentriert, Forderungen an die Kommunen zu stellen und gerichtliche Wiedergutmachung (hauptsaNchlich als Gerichtsklagen auf EntschaNdigung wegen illegaler Handlungen / GesetzesverstoNƒÀe) zu verlangen. Opfer und die sie unterstuNtzenden BuNrgerbewegungen haben die Haftung der verklagten Unternehmen, des Staates und der Verwaltung gerichtlich eingefordert, mit Urteilen zu ihren Gunsten die oNffentliche Meinung mobilisiert und auf diesem Wege Unternehmen und den Staat aufgefordert, Verbesserungen bei Schadensbegleichung sowie die VerstaNrkung von Restriktionen zu realisieren. 1978 wurden die Regelungsrichtlinien fuNr Stickstoffdioxid zwar gelockert. Es ist aber diesbezuNglich zu Zivilrechtsklagen wegen Luftverschmutzung und in letzter Zeit zu Urteilen zugunsten der GeschaNdigten gekommen. In diesen FaNllen wurde der Staat neben der Wahrnehmung seiner EntschaNdigungspflicht angewiesen, UmweltschutzmaƒÀnahmen im StraƒÀenbereich uNber das bisher uNbliche MaƒÀ hinaus zu treffen.

d)@ Viertens ist infolge des bisher Gesagten die Rolle des Privatrechts im Umweltrecht (insbesondere EntschaNdigungsgesetz) um ein vielfaches groNƒÀer als in Deutschland.

e)@ FuNnftens ist eine Besonderheit der japanischen Umweltpolitik darin auszumachen, daƒÀ, wie bereits mehrmals festgestellt, die kommunale Politik der staatlichen Politik voraus ist. So hat die Stadt Tokyo im Jahre 1969 strengere Vorschriften als der Staat erlassen. Der Staat hat dies als rechtswidrig angefochten, muƒÀte aber unter dem Druck der oNffentlichen Meinung im nachhinein die Regelungen der Stadt Tokyo in gleicher Strenge uNbernehmen. Die Stadt Yokka und die PraNfektur Mie haben dem Staat vorausgreifend eine Wiedergutmachungsregelung fuNr die Opfer der Luftverschmutzung im Chemie-Kombinat Yokka getroffen, die spaNter vom Staat als Wiedergutmachungsregelung uNbernommen bzw. zu einer solchen entwickelt worden ist. Die Stadt Kawasaki hat in ihrer Umweltgrundlagenverordnung umweltbezogene Rechte der anwohnenden BuNrger festgeschrieben. Ferner hat der Staat trotz heftigen BuNrgerprotestes fuNr die Wiedergutmachungsregelungen festgelegt, ab 1988 keine neuen Patienten mehr als regelungsrelevant anzuerkennen. Doch hat die Stadt Osaka mittels eigener Regelungen entsprechende Kosten medizinischer Betreuung subventioniert. Als Ursachen fuNr das Voranschreiten der Kommunen sind folgende Punkte denkbar. Die Kommunen sind einfach als oNffentliche Verwaltungen im direkten Kontakt mit den BuNrgern gezwungen, deren Forderungen gegen Umweltverschmutzung wahrzunehmen. In den japanischen Kommunen werden die jeweiligen OberhaNupter (BuNrgermeister, Gouverneur) von den BuNrgern in direkter Wahl gewaNhlt, was in der betreffenden Region bzw. Kommune Forderungen nach der Verbesserung der Lebensumwelt einfacher Geltung verschafft als dies bei Forderungen gegenuNber der Staatspolitik der Fall ist.

f)@ Sechstens ist es infolge der oben erwaNhnten MaƒÀnahmen, Gesetze und Bewegungen bis zur Mitte der 70er Jahre in Japan zu groƒÀen Erfolgen gekommen, beispielsweise bei der VerschaNrfung von Restriktionen gegenuNber Umweltverschmutzungsquellen oder bei der Entwicklung von Umweltschutztechnik. Zugleich haben die strengen Vorschriften fuNr Autoabgase die technologische Entwicklung der japanischen Automobilindustrie gefoNrdert. Der deutsche Umweltexperte Prof. Helmut Weidner hat davon gesprochen, daƒÀ es im japanischen Recht und der japanischen Rechtstheorie viele Punkte gebe, die lehrreich auch fuNr viele andere Industriestaaten seien. Dabei halte ich persoNnlich die folgenden Punkte fuNr besonders bedeutsam :

1.@ Verschiedene Untersuchungen zu SchaNdigungen durch Umweltverschmutzung wurden durchgefuNhrt und Recht wie Politik basierend auf einer genauen Erfassung der SchaNdens- bzw. Schadigungslage entwickelt.

2.@ Dabei wurden die Ursachen der Umweltverschmutzung aufgeklaNrt und hinsichtlich dieser Ursachen strenge Restriktionen getroffen.

3.@ BuNrgerbewegungen und Kommunen haben eine wichtige Rolle gespielt.

g)@ Jedoch haben Umweltpolitik und Umweltrecht in Japan seit der zweiten HaNlfte der 70er Jahre aus AnlaƒÀ des ErdoNlschocks einen groƒÀen RuNckschlag erlitten. Mit Beginn der 90er Jahre sind Anzeichen fuNr einen Wandel zu beobachten, beispielsweise die EinfuNhrung des Umweltgrundlagengesetzes. Es ist aber davon auszugehen, daƒÀ es Zeit braucht, bis sich diese neuen Entwicklungen durchsetzen werden. Darin besteht ein Unterschied zu Deutschland, das mit dem Beginn der 80er Jahre neue Entwicklungen aufzuweisen hat. Japanische Forscher und Umweltaktivisten registrieren an der Umweltpolitik und dem Umweltrecht in Deutschland mit besonderem Interesse das hohe Niveau des UmweltbewuƒÀtseins der deutschen BuNrger. Man kann wohl sagen, daƒÀ gerade dieses das Fundament fuNr die verschiedensten Entwicklungen im Umweltrecht der neuesten Zeit ist (z. B. Novellierung des Naturschutzgesetzes, EinfuNhrung des Umwelthaftungsgesetzes, GrundgesetzaNnderung mit der Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel).

h)@ Zum SchluƒÀ moNchte ich darauf hinweisen, daƒÀ die ZugaNnge zur Politik in Japan zu schmal sind, um die Forderungen von Bewegungen nach Umweltschutz einzubringen. Dies gilt insbesondere fuNr den staatlichen (landesweiten) Bereich. Es gibt in Japan eben keine Umweltschutzpartei mit politischer EinfluƒÀkraft wie‡ Die GruNnen in Deutschland. Ferner ist das Umweltamt ohne groƒÀe politische AutoritaNt im GefuNge des staatlichen Verwaltungsapparates.

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SchluƒÀbemerkung

@@@ Wie ich beschrieben habe, weisen Umweltpolitik und Umweltrecht in Japan im Vergleich zu Deutschland eine Vielzahl von unterschiedlichen Merkmalen auf. NatuNrlich bedingen die Unterschiede in der Art des Zutagetretens des UmweltbewuƒÀtseins, in den geographischen Bedingungen und in der sozialoNkonomischen Verfassung beider LaNnder, daƒÀ nicht unmittelbar und sofort japanische Erfahrungen fuNr Deutschland oder umgekehrt deutsche Erfahrungen fuNr Japan relevant werden. Gleichwohl erfordert die Umweltproblematik und die damit verbundene Frage, ob und wie im 21. Jahrhundert die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft mit dem Schutz der Umwelt in Einklang gebracht werden kann, notwendigerweise ein gemeinsames Nachdenken uNber die Daseinsweise zukuNnftiger postindustrieller Gesellschaften. In diesem Sinne ist es erforderlich, sich nicht nur uNber die positiven Momente, sondern auch uNber die Schwachstellen im Erfahrungsschatz beider LaNnder auszutauschen.