RITSUMEIKAN LAW REVIEW No.16 March 2000


Der Umweltschutz und die Rolle der Rechtsprechung
 
 

Yoshikazu SAGAMI





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I. Die Aufgabenstellung

@@@ Seit in den 60er Jahren die Wirtschaft Japans in die Hochwachstumsperiode eingetreten war, begann die Umweltproblematik mit schweren UmweltschaNden viele Fragen hinsichtlich der von der Justiz wahrzunehmenden Aufgaben aufzuwerfen. Dies soll im folgenden unter Hinweis auf einige Probleme des Gerichtsprozesses erlaNutert werden.
@@@ ZunaNchst stand im Zusammenhang mit Prozessen um Schadensersatzanspruch von UmweltschaNdigungsopfern gegen verursachende Unternehmen die Frage, wie die Schwierigkeiten der Ermittlung bzw. Bestimmung schadensverursachender Stoffe und der Nachweis eines Ursachenzusammenhang bei der SchaNdigung zu uNberwinden sind. So muƒÀten beim ProzeƒÀ um die AsthmaschaNden in der Stadt Yokkaichi die KlaNger den Mechanismus der Synthese des giftigen Schwefeldioxid in der Luft aus den Abgasen der Anlagen der verschiedenen Unternehmen (die zu dem Chemie-Kombinat gehoNrten) sowie die Kausalitat zum Asthma nachweisen. In den Prozessen, bei denen in der ersten Phase von Umweltprozessen die EntschaNdigung von SchaNden aus der Vergangenheit einklagt worden war, kam eine ProzeƒÀrechtstheorie zur Anwendung, derzufolge Anscheinsbeweise von FahrlaNssigkeiten und epidemiologische Befunde wirksam sind, und ermoNglichte nach langer Verhandlungsdauer eine Urteils‚†‚‰ ndung zugunsten der GeschaNdigten.
@@@ Aber mit der Wiedergutmachung von bereits aufgetretenen SchaNden werden die UmweltschaNden selbst nicht beseitigt. WaNhrend es zu zahlreichen Prozessen um die Anerkennung von SchadensersatzsanspruNchen der GeschaNdigten kam, entstand die Hoffnung auf Verfahren, in denen neben und mit den WiedergutmachungsanspruNchen von Opfern auch die PraNvention von SchaNdigungen eingefordert wird. Dies war eine zwangslaNu‚†‚‰ ge Entwicklung.
@@@ 1967 wurde das Gesetz uNber grundlegende MaƒÀnahmen gegen UmweltschaNden eingefuNhrt und bis in die 70er Jahre hinein eine Reihe von Gesetzen geschaffen, die auf die PraNvention von UmweltschaNden und die Erhaltung der natuNrlichen Umwelt abzielten. Seit dieser Zeit kam es jedoch zu zahlreichen Prozessen, bei denen die Unterlassung bzw. Einstellung von SchaNdigungen eingefordert wurde, welche durch bereits vor Inkrafttreten der neuen Gesetze existierende Anlagen bzw. Planungen und Projekte zur Umsetzung staatlicher und kommunaler Politik entstanden oder zu entstehen drohten. Man forderte also von den Gerichten, diejenigen Rechte und Interessen der Opfer zu sichern, die durch die Legislative und Exekutive nicht genuNgend geschuNtzt werden konnten. RepraNsentative FaNlle sind in diesem Zusammenhang die Prozesse um den Internationalen Flughafen Osaka und um den Shinkansen-Expresszug in Nagoya. Im Vergleich zu Deutschland faNllt auf, daƒÀ es sich bei all diesen Prozessen in Japan um Zivilprozesse handelt. Hierbei wurde auf die Unterlassung von Flugzeugstarts und -landungen geklagt bzw. auf die Einstellung des Shinkansens, da diese durch LaNrm und ErschuNtterungen den Schlaf rauben und das normale Alltagsleben beeintraNchtigen. Streitpunkt waren dabei neben der Anerkennung der SchaNdigungen die rechtlichen Grundlagen des Unterlassungsanspruchs als solchem.
@@@ Die KlaNger fuNhrten zwar allgemeine PersoNnlichkeitsrechte und Rechte an der Umwelt ins Feld, jedoch stellt sich die Frage, ob sich ohne gesetzliche Grundlage und nur auf der Basis von selbst in der Literatur umstrittenen Rechten eine Unterlassung einklagen lieƒÀe. Akzeptierte man dies, dann wuNrden durch Gerichte neue Rechte geschaffen, was wohl wiederum die eigentliche Rolle von Gerichten uNberschreiten duNrfte. Ferner handelt es sich bei FlughaNfen und Bahnlinien um staatliche Einrichtungen, die als solche in ihrer Verkehrsfunktion der oNffentlichen Verwaltung unterliegen. Die Prozesse um die Unterlassung von UmweltschaNdigung und Umweltschutz sahen sich einer Kritik an dieser traditionellen Aufgabe der Rechtsprechung und der Hoffnung auf die Ausdehnung der Gerichtsfunktion und die Wiedergutmachung mittels der Schaffung neuer Rechte und damit aNuƒÀerst komplizierten Problemen ausgesetzt.
@@@ An dieser von mir beschriebenen Lage hat sich seit den 80er Jahren nichts grundlegend geaNndert. GegenwaNrtig ist die Diskussion zu diesem Problem fast am Erliegen, was auch als Indiz fuNr die Kompliziertheit seiner LoNsung angesehen werden kann. Im folgenden werde auch ich keine LoNsung aufzeigen koNnnen. Gleichwohl moNchte ich die bisherige Diskussion vom Standpunkt der ZivilprozeƒÀrechtslehre aus nachzeichnen und Material fuNr den weiteren japanisch-deutschen Austausch im Bereich der Rechtstheorie anbieten.

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II. Der moderne ProzeƒÀ und seine Charakteristika

@@@ Seit den 80er Jahren taucht in Japan vermehrt der Begriff des‡ modernen Prozesses auf. Dies wird mit den oben genannten Prozessen um den Flughafen Osaka und den Shinkansen in Nagoya erklaNrt, doch bleibt der Begriff in diesem Zusammenhang weitgehend verschwommen und mehrdeutig. Andererseits betont man mit diesem Begriff, daƒÀ es keine KompatibilitaNt der Anzahl und der sozialen ZugehoNrigkeit der ProzeƒÀparteien sowie der Stellung von KlaNger und Beklagtem gibt, oder daƒÀ durch einen ProzeƒÀ selbst neue Rechte geschaffen bzw. eine politikbildende Funktion ausgeuNbt wird. All diese Auffassungen beziehen sich auf bestimmte Teile des modernen Prozesses, auch wenn sie zu den Charakteristika oNffentlicher Prozesse (public law litigation) gehoNren, wie sie Chayes (1976) auffuhrt. Zum VerstaNndnis des modernen Prozesses ist es notwendig, dessen Auffassung als die umfassendste zur Grundlage des gemeinsamen VerstaNndnisses zu machen. Chayes faƒÀt die Charakteristika oNffentlicher Prozesse in den USA folgendermaƒÀen zusammen, und ich moNchte sie an dieser Stelle kurz rekapitulieren, auch wenn sie in Deutschland bekannt sein duNrften.

1)@Im traditionellen ProzeƒÀ wird der Konflikt um die Rechte und Pflichten von Individuen im ProzeƒÀ selbst ausgetragen. Im oNffentlichen ProzeƒÀ ist durch das Gericht und die ProzeƒÀparteien dessen Umfang festzulegen.
2)@Im traditionellen ProzeƒÀ sind Ereignisse der Vergangenheit Zentrum der Verhandlung. Auf diese wird das Recht angewandt und der Konflikt entschieden (Anwendung des juristischen Syllogismus). Im oNffentlichen ProzeƒÀ geht es darum, welche zukuNnftigen MaƒÀnahmen erforderlich sind, und es wird eine legislative Beurteilung eingefordert.
3)@Im oNffentlichen ProzeƒÀ beschraNnkt sich die LoNsung des Konflikts nicht auf die ProzeƒÀparteien, sondern uNbt einen groƒÀen EinfluƒÀ auf eine Vielzahl von uNber diese hinausgehenden Beteiligten aus.
4)@Im oNffentlichen ProzeƒÀ nimmt die Zahl der GegenstaNnde zu, die durch Verhandlung zwischen den Beteiligten in Angriff genommen und geloNst werden muNssen.
5)@Im oNffentlichen ProzeƒÀ entscheiden die Richter nicht einfach uNber Rechte, sondern sollten von der Tatsachenfeststellung uNber die Gesetzesauslegung bis hin zur ProzeƒÀleitung eine aktive Rolle spielen.
6)@Im oNffentlichen ProzeƒÀ kommt es vermehrt dazu, daƒÀ die Unzufriedenheit uNber den Inhalt oNffentlicher Politik im Zusammenhang mit der TaNtigkeit der Regierung, der Kommunen oder der GroƒÀunternehmen zum ProzeƒÀgegenstand werden.

@@@ Die hier aufgefuNhrten Merkmale von Chayes gelten mehr oder minder auch fuNr die sogenannten modernen Prozesse in Japan. Lassen Sie mich das am Beispiel des Prozesses um den Shinkansen in Nagoya verdeutlichen, nicht zuletzt weil dessen Verfahren und Urteil in Deutschland kaum bekannt sein duNrften.
@@@ PuNnktlich zur EroNffnung der Olympischen Sommerspiele in Tokyo nahm der Shinkansen 1964 seinen Betrieb auf der Strecke zwischen Tokyo und Osaka mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h auf. KlaNger waren zuerst 490 BuNrger, deren Wohnung entlang der Shinkansen-Linie innerhalb der Stadt Nagoya lag, Beklagter war die staatliche Eisenbahngesellschaft. Die KlaNge wurde im Jahre 1974 eingelegt. Die Klager forderten Schadensersatz fuNr in der Vergangenheit erlittene und zukuNnftig auftretende SchaNden infolge von durch den Shinkansen verursachten LaNrmbelaNstigungen und ErschuNtterungen sowie eine Senkung der Larmbelastigung auf maximal 65 ph und der Erschutterung auf maximal 65 db in ihrem Wohnbereich. In der Zwischenzeit hatte das Oberlandgericht Osaka am 27. November 1975 ein bedeutendes Urteil bekanntgegeben, das Starts und Landungen auf dem Flughafen Osaka mit Ausnahme von Not- und anderen nicht vermeidbaren FaNllen in der Zeit von 21. 00 Uhr bis 07. 00 Uhr verbot. Auch im ProzeƒÀ um den Shinkansen in Nagoya wurde ein Ausgang zugunsten der KlaNger erwartet.
@@@ Das Urteil vom 11. September 1980 bestaNtigte jedoch lediglich einen Teil der SchadensersatzanspruNche fuNr in der Vergangenheit entstandene SchaNden. Die Klage auf Unterlassung von LaNrm und ErschuNtterungen wurde als unbegruNndet abgewiesen. In der Berufungsinstanz stellten die KlaNger zusaNtzlich die Forderung, die Geschwindigkeit des Shinkansen in ihrem Wohngebiet (7 km Strecke) zu jeder Zeit auf 110 km/h zu beschraNnken. Das Oberlandgericht Nagoya wies in seinem Urteil vom 13. April 1985 alle UnterlassungsanspruNche mit folgender BegruNndung als unbegruNndet ab :

1)@ Die Klage auf Unterlassung von BeeintraNchtigungen durch LaNrm und ErschuNtterungen sei zwar ein sogenannter abstrakter Unterlassungsanspruch, jedoch zulaNssig, da der Inhalt der Unterlassungspflicht fuNr den Beklagten genau und abgrenzbar bestimmt ist.
2)@ Da der Shinkansen durch die staatlichen Eisenbahngesellschaften errichtet wurde und betrieben wird und zum Beispiel im Unterschied zu einem staatlich betriebenen internationalen Flughafen keine BeeintraNchtigung der Hoheit der Verkehrsverwaltung des Staates gegeben ist, sei die Unterlassungsklage als solche zulaNssig.
3)@ Als rechtliche Grundlage fuNr die Unterlassung behaupten die KlaNger allgemeine PersoNnlichkeitsrechte und Rechte auf Umwelt. Da aber das Recht auf Umwelt weder hinsichtlich des rechtlichen Umfanges der Umwelt noch hinsichtlich des Rechtsinhaltes sowie seines AusmaƒÀes klar und deutlich bestimmt sei, koNnne dieses Recht nicht anerkannt werden. Zu den allgemeinen PersoNnlichkeitsrechten heiƒÀt es : LaNrm und ErschuNtterungen durch den Shinkansen sind ihrem Wesen nach identisch mit der AusuNbung sichtbarer Kraft wie Gewalt. Der menschliche KoNrper wird davon beeintraNchtigt. Insofern sind PersoNnlichkeitsrechte anzuerkennen. Jedoch treten die BeeintraNchtigungen des Alltagslebens und der Ruhe als Folge koNrperlicher BeeintraNchtigung auf und sind als solche nicht im Anspruchsinhalt des PersoNnlichkeitsrechtes eingeschlossen.
4)@ Die BeeintraNchtigung des Alltagslebens, wie z. B. von GespraNchen und Schlaf, sowie geistige SchaNdigungen seien zwar als gegeben anzuerkennen, jedoch koNnne eine KausalitaNt zwischen LaNrm und ErschuNtterungen durch den Shinkansen einerseits und koNrperlichen SchaNdigungen, wie StoNrungen des vegetativen Nervensystems oder Kopfschmerzen andererseits, nicht als gegeben bewiesen werden.
5)@ Der Shinkansen sei seit seinem Betriebsbeginn eine Haupttrasse im Eisenbahnverkehr des Landes, werde von uNber 100 Mio. FahrgaNsten genutzt und spiele fuNr das gesellschaftliche Leben eine groƒÀe Rolle. Die staatlichen Eisenbahnen seien ein Staatsorgan. Ausgehend vom Ideal der Gleichheit aller StaatsbuNrger vor dem Recht sei es notwendig, alle Streckenanwohner gleichberechtigt zu behandeln. Angenommen, es bestuNnde fuNr die staatlichen Eisenbahnen die Pflicht, die Geschwindigkeit im Wohnbereich der KlaNger zu verringern, so muNƒÀte dies auch in allen anderen Bereichen mit gleichartigen BeeintraNchtigungen (von den etwa 550 km Gesamtstrecke zwischen Tokyo und Osaka waNren das etwa 200 km) erfolgen. Dies wuNrde das nationale Verkehrssystem erheblich erschuNttern und koNnne deswegen aus sozialen und wirtschaftlichen GruNnden nicht anerkannt werden.

@@@ An diesem Fall lassen sich fast alle von Chayes benannten Merkmale eines oNffentlichen Prozesses ausmachen. Jedoch hat das Gericht die als gesetzliche Grundlage fuNr die Unterlassung bzw. Einstellung angefuNhrten PersoNnlichkeitsrechte sehr eng interpretiert, die von einer Anerkennung der Unterlassung ausgehende sogenannte faktische Wirkung des Urteils besonders beruNcksichtigt und bei Betonung des oNffentlichen Charakters des Shinkansens den Unterlassungsanspruch als unbegruNndet abgewiesen.
@@@ Man kann wohl sagen, daƒÀ das Oberlandgericht Nagoya versucht hat, den Konflikt im Rahmen einer traditionell-klassischen ZivilprozeƒÀtheorie zu loNsen. Mit anderen Worten : Man sah es nicht als Aufgabe des Gerichtes an, einen oNffentlichen ProzeƒÀ zu fuNhren. Durch die Einnahme einer derartigen rechtstheoretischen Position werden Unterlassungsklagen gegen die BeeintraNchtigung des Alltagslebens durch oNffentliche Verkehrseinrichtungen wie Eisenbahnen, FlughaNfen und Autobahnen nicht anerkannt, abgesehen von der wohl einzigen Ausnahme, dem Urteil im ProzeƒÀ um den Flughafen Osaka.
@@@ Ferner hat das Oberste Gericht am 16. Dezember 1981 mit bezug auf den ProzeƒÀ um den Flughafen Osaka die Unterlassungsklage aus folgendem Grund als unzulaNssig abgewiesen. Dazu heiƒÀt es im Urteil :

@@@ Geht man vom Kernpunkt, der Verstaatlichung von FlughaNfen, aus, ist mit bezug auf den Betrieb des landesweit bedeutsamen Flughafens Osaka und hinsichtlich der ErfuNllung seiner urspruNnglichen Funktionen davon auszugehen, daƒÀ Restriktionen auf der Basis des FIughafenbetriebsrechtes und des Luftverkehrshoheitsrechtes unterschiedslos und unteilbar einheitlich zu erfolgen haben sowie auf der Grundlage einer umfassenden und komplexen Beurteilung in UN bereinstimmung mit den oben genannten Punkten durchzufuNhren sind.
@@@ Die vorliegende Klage auf Unterlassung fordert als ein gewoNhnlicher ZivilprozeƒÀ vom Staat als Betreiber und Errichter des betreffenden Flughafens eine Unterlassung. Das zur VerfuNgungstellen des betreffenden Flughafens fuNr Starts und Landungen von Flugzeugen ist aber, wie bereits gesagt, das auf die umfassende Beurteilung der Rechtssituation gegruNndete Resultat der unteilbaren und unterschiedslosen AusuNbung der dem Transportminister vorbehaltenen Rechte auf den Flughafenbetrieb und die Luftverkehrshoheit. Aus diesem Grunde umfaƒÀt die oben genannte Unterlassungsklage unausweichlich die Forderung nach Einstellung oder Aufhebung bzw. VeraNnderung der Luftverkehrshoheitsrechte. Es besteht, abgesehen davon, ob die KlaNger mittels eines Verwaltungsprozesses klagen koNnnen oder nicht, kein privatrechtliches Recht auf die Durchsetzung einer Klage gegenuNber dem Staat. Folglich ist die vorliegende Unterlassungsklage als unzulaNssig abzuweisen. .

@@@ UN brigens hat im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall der Staat nach dem Urteil des Obersten Gerichtes gegenuNber einer Verbindungskonferenz von elf an den Flughafen Osaka angrenzenden StaNdten zugesagt, Flugzeuge nicht in der Zeit von 21.00 Uhr bis 07.00 Uhr starten und/oder landen zu lassen. Diese Zusage wird bis heute eingehalten.
@@@ So herrscht eine sehr widrige Lage fuNr Gerichtsverfahren von GeschaNdigten, in denen die Unterlassung bzw. Einstellung von BeeintraNchtigungen des Alltagslebens durch oNffentliche Einrichtungen und die Anerkennung eines Umweltrechts eingeklagt wird. Gibt es Mittel und Wege diese Situation zu aNndern ?

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III. Probleme der ZivilprozeƒÀtheorie

@@@ Die traditionelle ZivilprozeƒÀtheorie nimmt gegenuNber modernen Zivilprozessen bzw. ihrem Auftreten im wesentlichen die folgenden drei Positionen ein.
@@@ Erstens versteht man moderne Zivilprozesse als Ausnahmeerscheinungen, denen man begegnen kann, ohne daƒÀ dafuNr eine Korrektur bzw. Erneuerung der ZivilprozeƒÀtheorie erforderlich ist. Es sei ausreichend, auf derartige Prozesse entsprechend dem jeweiligen Einzelfall bzw. begrenzt auf diesen zu reagieren. Zweifellos sind die modernen Zivilprozesse Gegenstand gesellschaftlichen Interesses und durch die haNu‚†‚‰ ge Berichterstattung der Massenmedien zu einer schillernden Erscheinung geworden. Jedoch ist die Anzahl moderner Zivilprozesse und ihr Anteil an der Gesamtzahl der Zivilprozesse aNuƒÀerst gering. Ausgehend davon meint man, daƒÀ durch das Auftauchen der modernen Zivilprozesse kein Wandel in der Struktur des traditionellen Zivilprozesses, seiner Theorie sowie des ProzeƒÀsystems hervorgerufen wird.
@@@ Zweitens gibt es den Standpunkt, demzufolge bei naNherer Betrachtung der von Chayes benannten Charakteristika des oNffentlichen Prozesses, diese auch mehr oder minder bei traditionellen Zivilprozessen zu beobachten seien und beim modernen ZivilprozeƒÀ lediglich in zugespitzter Form erschienen. Der moderne ZivilprozeƒÀ sei in dieser Hinsicht in keiner Weise grundverschieden vom traditionellen ZivilprozeƒÀ. Vielmehr sei es der traditionelle ZivilprozeƒÀ, der die fuNr die naNhere Zukunft relevante Form aufweise. So sei eine neue ZivilprozeƒÀtheorie durch die Korrektur des traditionellen ZivilprozessyƒÀtems und seiner Theorie zu entwickeln.
@@@ Drittens gibt es eine Position, die den modernen ZivilprozeƒÀ lediglich als eine spezi‚†‚‰ zierende Kategorie erfaƒÀt und auf diese Einzelkategorie begrenzte Untersuchungsprozeduren und theoretische Positionen anbietet. Damit ist man der erstgenannten Position sehr nahe, weist aber hinsichtlich der inhaltlichen Positionen Gemeinsamkeiten mit der zweiten Position auf. Diese dritte Position bildet in Japan die herrschende Meinung.
@@@ Diskutiert man eine neue Theorie des Zivilprozesses, die auf die modernen Zivilprozesse reagiert oder diese einschlieƒÀt, dann hat man selbstverstaNndlich die PraktikabilitaNt der althergebrachten Theorie kritisch zu bewerten. Die japanische ZivilprozeƒÀtheorie hat sich hundert Jahre lang unter dem allmaNchtigen EinfluƒÀ des deutschen Rechtes herausgebildet und entwickelt. Dies gilt hinsichtlich der grundlegenden ZuNge auch fuNr die unmittelbare Gegenwart. Betrachtet man aber nun den modernen ZivilprozeƒÀ, so‚†‚‰ nden sich in Japan nur wenige EroNrterungen, die den Vergleich mit Deutschland suchen, um daraus Hinweise fuNr ProblemloNsungen abzuleiten. Eher trifft man auf eine Vielzahl von Positionen, die auf US-amerikanischen Forschungen und praktischen Beispielen beruhen. Dieser Umstand zeigt, daƒÀ in Reaktion auf moderne Zivilprozesse fuNr die japanische Forschung vor allem die USA, deren FuNlle und Mannigfaltigkeit der EinzelfaNlle sowie Erfahrungen bei der ProblemloNsung von Interesse waren. Ferner kann darauf verwiesen werden, daƒÀ in Deutschland derartige Unterlassungsklagen auf der Grundlage von PersoNnlichkeits- und Umweltrechten nicht als gewoNhnliche Zivilprozesse ausgestritten, sondern- z. B. auch solche FaNlle wie die Forderungnach Baustop fuNr Atomkraftwerke- Gegenstand von Verwaltungsprozessen sind und so die Unterschiede zwischen Deutschland und Japan hinsichtlich der Verortung von Rechten und der ProzeƒÀprozeduren einen Vergleich erschwert haben. Zur LoNsung der Probleme des modernen Zivilprozesses sind sowohl kurzfristige AnsaNtze, die nach derzeit machbaren und sofort wirksamen Mitteln fragen, als auch AnsaNtze, die wie die alt-chinesische Heilkundemittel- und langfristig orientiert sind, notwendig. Im oNffentlichen ProzeƒÀ ist es unabhaNngig von Unterschieden beispielsweise in der ProzeƒÀordnung wichtig zu wissen, inwieweit bzw. was das Gericht bei der Prozesleitung, bei der Selektion und Konzentration von Konfliktpunkten, bei der BeweisfuNhrung, bei der Einbeziehung bzw. EinfluƒÀnahme von durch Verhandlung und Urteil betroffenen Dritten konkret unternimmt und unternehmen kann, wie die Reaktion von unmittelbar Beteiligten und Dritten darauf ausfaNllt, wie dabei entstehende Probleme behandelt und geloNst werden. Genau hierfuNr hatte das amerikanische Recht eine Vielzahl von Beispielen aufzuweisen.
@@@ Bis in die Gegenwart hinein gibt es zahlreiche Forschungen, die sich unter Bezug auf amerikanische Beispiele damit auseinandersetzen, welcher Bereich der traditionellen ZivilprozeƒÀtheorie zu verbessern ist und wie der konkrete Inhalt dieser Verbesserungen aussehen sollen. Einige Kernpunkte seien an dieser Stelle angesprochen.

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@@@ 1. ProzeƒÀkosten

@@@ Den Gesetzen zu den Kosten eines Zivilprozesses zufolge muƒÀ der KlaNger im Falle der Klageerhebung eine in einem bestimmten VerhaNltnis zum Streitwert stehende GebuNhr bezahlen. Wie hoch faNllt diese GebuNhr aus bei einer Klage auf Unterlassung im Zusammenhang bzw. auf der Grundlage von beispielsweise PersoNnlichkeits- und/oder Umweltrechten ? Bisher wurde davon ausgegangen, daƒÀ die Bemessungsgrundlage fuNr einen solchen Fall der durch die Unterlassung erreichte geldwerte Vorteil bzw. Gewinn ist. Dies waNre bei einer Klage auf Unterlassung von LaNrm die EntschaNdigungssumme fuNr die durch den LaNrm erlittenen SchaNdigungen. Handelt es sich bei dem KlaNger um mehrere Personen, dann ist selbstverstaNndlich eine der Personenzahl entsprechende Summe einzuzahlen. Wie gestaltete sich die Bemessung und Entrichtung der GebuNhren fuNr Unterlassungsklagen nun konkret bei FaNllen wie der Errichtung von GolfplaNtzen ? Deren ErschlieƒÀung nahm ja im Zusammenhang mit der Verabschiedung und Inkraftsetzung des sogenannten Ressort (Freizeitpark bzw. -anlagen)- Gesetzes zu, und bei ihnen besteht die Gefahr der ZerstoNrung der natuNrlichen Umwelt durch die Bauarbeiten und/oder Verunreinigung des Wassers durch den Einsatz von chemischen. Pflanzenschutzmitteln auch nach der Fertigstellung fort. Wie gestalteten sich die GebuNhren bei der Industrieansiedlung oder der LandaufschuNttung an oNffentlichen KuNsten zwecks Errichtung eines WaNrmeheizkraftwerkes ? In diesen FaNllen wurde der Wert der zur Entscheidung anstehenden und geplanten Immobilien zur Bemessungsgrundlage erhoben und obendrein bei Klagen durch mehrere Personen die entsprechende GebuNhr mit der Anzahl der klagefuNhrenden Personen multipliziert. In Japan gibt es hinsichtlich der Wertbemessung von KlagegegenstaNnden lediglich ein Musterbeispiel in der Anweisung des Sekretariates fuNr Zivilangelegenheiten beim Obersten Gericht aus dem Jahre 1956. FuNr die Berechnung der beklagten Geldsumme bei Unterlassungsklagen‚†‚‰ ndet sich keine eindeutige, Basis. So hat jedes Landgericht fuNr sich selbst Interpretationen vorgenommen und angezeigt, was zu Uneinheitlichkeit fuNhrte. In den meisten FaNllen ist zwar davon ausgegangen worden, daƒÀ keine in Geld auszudruNckende Umrechnung moNglich ist. Aber in FaNllen strenger Interpretationen durch das Gericht kam es auch vor, daƒÀ der/die KlaNger zur Zahlung riesiger GeldgebuNhren angewiesen wurden. So traten Konflikte zwischen Gerichten und KlaNgern um die GebuNhr auf, weshalb die eigentliche Verhandlung nicht begonnen werden konnte, und in einigen FaNllen muƒÀte wegen zu hoher GebuNhren die Klageschrift letztlich als unzulaNssig zuruNckgewiesen werden (˜ 228 j. ZPO). Dieses Problem wurde 1992 geloNst. Durch die Novellierung des Handelsrechts wurde die Berechnung der Streitwerte bei AktionaNrsklagen auf einen Konflikt um nichtvermoNgensrechtliche Streitigkeiten bezogen. Unterlassungsklagen im Zusammenhang mit dem Schutz der Umwelt erfuhren ab sofort auch eine derartige Behandlung.

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@@@ 2. ProzeƒÀfuNhrungsbefugnis (Sachlegitimation des KlaNgers)

@@@ Gesetzliche Festlegungen zur ProzeƒÀfuNhrungsbefugnis als Partei entsprechen in den wesentlichen Bereichen denen des deutschen Rechts. Als Partei ist derjenige legitimiert, der hinsichtlich des Anspruchs nach einem Urteil in der entsprechenden Angelegenheit ein gerechtfertigtes Interesse daran hat. Das‡ class action- Verfahren wie es sich im amerikanischen Recht‚†‚‰ ndet- wird nicht anerkannt. Im Falle von Klagen auf Unterlassung von BeeintraNchtigungen des Alltagslebens werden reprasentaNtiv Eigentumsrechte und PersoNnlichkeitsrechte (koNrperliche und geistige SchaNdigungen) zur Grundlage erhoben. Jedoch ist bei auf das Umweltrecht bezogenen FaNllen umstritten, wer die ProzeƒÀfuNhrungsbefugnis als Partei beanspruchen kann.
@@@ Der in Japan althergebrachten Auffassung zum Umweltrecht zufolge handelt es sich bei diesem um das‡ Recht, eine intakte Umwelt in Anspruch nehmen und dieselbe beherrschen bzw. verwalten zu koNnnen . Unter den Voraussetzungen der UmweltzerstoNrung durch den Menschen im Zusammenhang mit der industriellen Entwicklung, auf der Basis des gegenwaNrtig rasanten wissenschaftlichen technischen Fortschritts und uneingeschraNnkter industrieller TaNtigkeit, ist das Umweltrecht als ein grundlegendes Recht zur UN berwindung dieser Krise und zum Schutze der Interessen der BuNrger an der Umwelt, als Recht auf die Forderung nach einer verbesserten Umwelt gegenuNber dem Staat und den Gemeinden sowie als Funktion des Prinzips der BeschraNnkung unternehmerischer TaNtigkeit charakterisiert worden. Es wurde die Erwartung gehegt, daƒÀ das Umweltrecht fuNr eine privatrechtliche LoNsung der UmweltzerstoNrung von Nutzen sein wird und wurde tatsaNchlich als Grundlage zahlreicher Prozesse um Unterlassungsklagen aufgefaƒÀt.
@@@ Im Sinne von Grundidealen der Umweltschutzbewegung ist gegen das Anstreben und Bestimmen eines Umweltrechtes mit einem derartigen Inhalt nichts Grundlegendes einzuwenden. Was aber Prozesse um Unterlassungsklagen anbelangt, so ist es aNuƒÀerst problematisch, sich auf ein solches Umweltrecht zu stuNtzen.
@@@ Erstens ist einzuwenden, daƒÀ die oben erwaNhnten Umweltrechte die diese Rechte besitzenden Subjekte nicht eindeutig bestimmen. So koNnnte es dazu kommen, daƒÀ KlaNger, die in weit vom Problemgebiet entfernten Gebieten wohnen, auf Unterlassung von geplanter ErschlieƒÀungs- bzw. BautaNtigkeit klagen. Gegen die Struktur eines solchen Umweltrechtes, welches potentiell den urspruNnglichen Begriff der ProzeƒÀfuNhrungsbefugnis mit einem Mal und unbegrenzt auszudehnen vermag, gibt es nicht nur bei Gerichten, sondern auch in der Literatur hartnaNckige Gegenstimmen und ablehnende Interpretationen. Beispielsweise wuNrde dieses Problem in folgendem Fall auftauchen : Ein Unternehmen hat sich hinsichtlich der AufschuNttung von KuNstenbereichen mit den Anwohnern und Inhabern von Fischereirechten uNber EntschaNdigungen geeinigt, wird in der Phase des Baubeginns jedoch durch einen Umweltrechte beanspruchenden Umweltschutzverein auf Unterlassung der AufschuNttung beklagt. Wird dieser Klage stattgegeben, kommt es nicht nur zwischen KlaNger und beklagtem Unternehmen zu Konflikten, sondern moNglicherweise auch zwischen dem KlaNger einerseits und den Anwohnern und Inhabern von Fischereirechten andererseits. Aus dem erlaNuternden Inhalt des Umweltrechtes wird nicht ersichtlich, inwieweit man mit der Beanspruchung von Umweltrechten in die Rechtsbeziehung von anderen Interessensubjekten eingreifen kann.
@@@ Deswegen gibt es den Versuch zu bestimmen, wer von all jenen, die Umweltrechte in Anspruch nehmen, zur Klageerhebung legitimiert ist. Es wird gefordert, ProzeƒÀfuNhrungsbefugnis denjenigen Individuen und/oder Umweltschutzvereinen zuzusprechen, die am praktischen KonfliktprozeƒÀ als Vertreter von Anwohnern oder als eigenstaNndige Subjekte tatsaNchlich mitgewirkt haben, die in der Phase der VeroNffentlichung des ErschlieƒÀsungsplans und der AufklaNrung der Anwohner uNber die GefaNhrlichkeit von Anlagen oder die Problempunkte der UmwelterschlieƒÀung praNsent waren. Ein Beispiel ist der ProzeƒÀ um die Klage auf Unterlassung des Betriebes des WaNrmeheizkraftwerkes in der Stadt Buzen/Oita. Dort waren ein Schriftsteller und seine Sympathisanten, wohnhaft in einer recht weit vom betreffenden Heizkraftwerk entfernten Gegend, die KlaNger und initiierten mit Beginn der AufschuNttungsarbeiten fuNr dieses Kraftwerk eine Gegenbewegung, mit der sie Umweltrecht beanspruchten. Jedoch kam es auch in diesem Fall zu GegensaNtzen zwischen den diese Bewegung unterstuNtzenden Gruppen und Individuen auf der einen Seite und den Bewohnern der Region auf der anderen, so daƒÀ Aussicht auf eine Klageerhebung ohne UnterstuNtzung der Anwohner bestand. Daraufhin sprach das Oberste Gericht mit Urteil vom 20. Dezember 1985 den KlaNgern die ProzeƒÀfuNhrungsbefugnis ab. Es ist davon auszugehen, daƒÀ auch in der naNheren Zukunft die MoNglichkeit der gerichtlichen Anerkennung der Sachlegitimation auf der Basis von Umweltrechten gering sein wird.

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@@@ 3. Erwartungen und RealitaNten hinsichtlich der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung

@@@ Sowohl in Deutschland als auch in Japan ist dieses Problem oftmals und immer wieder diskutiert worden. Mit dem Auftauchen moderner Prozesseflammt die Diskussion erneut auf. Hinsichtlich der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und der jeweiligen Situation in Japan und in Deutschland gibt es zahlreiche Publikationen. Daher seien die Bemerkungen zu dieser Frage auf einige wenige Punkte beschraNnkt.
@@@ Lassen sich PhaNnomene nicht ausreichend mit dem traditionellen Rechtsbegriff erklaNren, so bietet es sich an, neue Begriffe zu benutzen. Bezogen auf Umweltrechte sind als Beispiele das Strandbegehungs- bzw. -benutzungsrecht (das Recht, an einem Naturstrand zu baden), das Recht auf sauberes Wasser, seine Beanspruchung und VerfuNgung, oder das Recht auf eine Landschaftsansicht zu nennen. Ferner ist auch das Nichtraucherrecht zu nennen. Immer wieder kommt es zu Prozessen um Unterlassungsklagen auf der Grundlage dieser Rechte. Es wird deren Anerkennung gefordert. Jedoch enden die Prozesse in den meisten FaNllen mit Niederlagen fuNr die KlaNger. Lediglich das Nichtraucherrecht sieht sich trotz gerichtlicher Niederlagen gesellschaftlich in breiten Kreisen unterstuNtzt, weswegen es ausgehend von oNffentlichen Einrichtungen wie privaten Unternehmen ausgedehnt praktiziert wird.
@@@ Genau wie Chayes es als ein Charakteristikum des oNffentlichen Prozesses bezeichnet hat, existieren in den Konflikten der neuen Art bereits Beteiligte mit verschiedenartigsten Interessenlagen. Neben den im ProzeƒÀ selbst auftretenden Personen haben eine Vielzahl von Menschen im Umfeld Interessen und wollen diese nach MoNglichkeit auch artikulieren. So kann es durch einen bestimmten ProzeƒÀ dazu kommen, daƒÀ durch die Anerkennung oder auch Aberkennung eines Rechtes diesen Menschen die MoNglichkeit auf AN uƒÀerung genommen wird und das Resultat dieses Prozesses keine oder nur geringe gesellschaftliche UnterstuNtzung‚†‚‰ ndet. Es ist nicht angebracht, den ProzeƒÀ als Ort der KonfliktloNsung im Streit zweier Parteien zum Platz legislativer Beurteilung zu machen. Es ist zwar unablaNƒÀlich, der MoNglichkeit der Beteiligung Dritter nachzugehen, aber weder in Deutschland noch in Japan hat man bisher eine befriedigende LoNsungsform fuNr dieses Problem aufgezeigt.
@@@ Ein weiteres zu diskutierendes Problem im Zusammenhang mit der Rechtsfortbildung im ProzeƒÀ ist das Problem der faktischen Auswirkungen von Urteilen, wie es sich im Urteil zum ProzeƒÀ um den Shinkansen in Nagoya zeigte. In der UrteilsbegruNndung heiƒÀt es, daƒÀ die Tatsachenfeststellung und Gesetzesauslegung- uNber den betreffenden ProzeƒÀ hinaus- in Verhandlungen zur KonfliktloNsung gegenuNber den Anwohnern sowie Dritten vorteilhaft eingesetzt werden sollten. Ebenso wie die unmittelbaren ProzeƒÀ- bzw. Konfliktbeteiligten selbst davon Gebrauch zu machen imstande sind, koNnnten nun Sympathisanten der KlaNgerseite dies nutzen. Zweifellos ist dies keine rechtliche Wirkung des Urteils, sondern seine faktische Wirkung. Kommt es zu einem der Klage stattgebenden, also fuNr die KlaNgerseite und ihre Sympathisanten siegreichen Urteil, entstehen groƒÀe Erwartungen hinsichtlich eben dieser Wirkung. Das wiederum laNƒÀt die Angeklagtenseite und das Gericht entsprechende BefuNrchtungen hegen. Da dieser Effekt eine real-faktische Wirkung ist, laNƒÀt sich die Art und Weise seiner Instrumentalisierung nach der UrteilsverkuNndung nicht kontrollieren bzw. beschraNnken. Da dieser Effekt selbstverstaNndlich durch die Handlungen der Beteiligten und Sympathisanten der KlaNgerseite auƒÀerhalb des Gerichtes entsteht, koNnnte man meinen, daƒÀ dieser Umstand nun seitens des Gerichtes nicht unbedingt beruNcksichtigt werde muNsse. Dies ist sogar die bisher bestimmende Position in der Diskussion um die Wirkung von Urteilen. Jedoch ist es fuNr den Fall, daƒÀ sich zum Zeitpunkt der Urteils‚†‚‰ ndung das Auftreten einer uNber den betreffenden ProzeƒÀ hinausgehenden Wirkung abzeichnet, nicht voNllig unbegruNndet, der Gefahr aus dem Wege gehen zu wollen, daƒÀ das Gericht moNglicherweise die Ursache fuNr diesen Effekt produziert haben bzw. in politische Auseinandersetzungen hineingezogen werden koNnnte. UrspruNnglich war es ein Charakteristikum des Gerichts, hinsichtlich seiner Urteile nicht politisch oder auf aNndere Weise zur Verantwortung gezogen zu werden.
@@@ Bisher wurde angestrebt, sowohl die Rolle als auch die Funktion der Gerichte gleichermaƒÀen auszudehnen, um Opfern und sozial Schwachen zu helfen bzw. Hilfe zu realisieren, die auf dem legislativen oder exekutiven Wege nicht zu erwirken war. Rechte sind nicht zu realisieren, wenn Gerichte Rechte nur allgemein verkuNnden. Die ursaNchlichen Probleme muNssen danach in fortgesetzten Verhandlungen zwischen den Beteiligten und/oder in verschiedensten politischen Verfahren aufgegriffen, thematisiert und angegangen werden. Rechte nur zu verkuNnden und die Notwendigkeit der Hilfe fur die Opfer und sozial Schwachen lediglich allgemein aufzuzeigen, ist als ProblemloNsung keineswegs ausreichend.
@@@ Betont man nun, durch die Schaffung neuer Rechte uNber die Gerichte Hilfe fuNr die Opfer zu ermoNglichen, so steigern sich Unzufriedenheit und EnttaNuschung gegenuNber den Gerichten, wenn diese klageabweisende Urteile faNllen. Japan be‚†‚‰ ndet sich derzeit unmittelbar vor diesem Zustand.
@@@ Wenn nun erwartet wird, die Funktion der Gerichte in Richtung der Fortbildung neuer Rechte uNber Prozesse auszuweiten, dann ist es- im Sinne einer gegenlaNu‚†‚‰ gen Argumentation- notwendig, uNber eine Strategie zur Anpassung der Urteilswirkung an die konkrete Lage der Beteiligten sowie die groNƒÀtmoNgliche EinschraNnkung potentieller faktischer Wirkungen nachzudenken. Wie das ermoNglicht werden kann, soll im Zusammenhang mit den Problemen des Unterlassungsanspruchs eroNrtert werden.

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@@@ 4. Probleme des Unterlassunganspruchs

@@@ Fordert man die Unterlassung der sogenannten BeeintraNchtigung des Alltagslebens, so muƒÀ der KlaNger diesen Anspruch bestimmen und individualisieren. Dieses VerstaNndnis des Zivilrechts‚†‚‰ nden wir in Deutschland und in Japan gleichermaƒÀen. Wann kann man nun aber sagen, daƒÀ ein Anspruch genau bestimmt ist ? Die herrschende Meinung in Japan dazu ist, daƒÀ nicht eine verbotene bzw. untersagte Handlung aufzuzeigen ist, sondern es ausreicht, die Forderung nach Untersagung der Schaden- bzw. SchaNdigungsursache, also nach abstrakter Handlungsunterlassung zu erheben. Dieser Auffassung zufolge ist eine Forderung schon bestimmt, wenn die Schadens- bzw. SchaNdigungsursache benannt ist und aufgezeigt wird, daƒÀ z. B. die dadurch hervorgerufene LaNrmbelaNstigung fuNr die klagefuNhrenden Anwohner das Niveau von 60 ph nicht uNbersteigen darf. GewoNhnlich gibt es mehrere Wege, wie eine SchaNdigung vermieden werden kann. Jedoch sei- so die prinzipielle Position der Rechtsprechung- fuNr die KlaNgerseite lediglich von Belang, daƒÀ die Folgen der SchaNdigung beseitigt werden. Die Art und Weise der Realisierung solle nicht Teil ihrer Verantwortung sein, weil es fuNr die KlaNgerseite zu kompliziert sei einzuschaNtzen, welches die angemessenste Methode zur Folgenbeseitigung waNre. Es sei angemessen, die Entscheidung uNber die Methode der Beklagtenseite zu uNberlassen. Im Unterschied zu dieser Position gibt es jedoch auch Urteile, die dies fuNr nicht ausreichend befunden haben.
@@@ Was nun den Unterlassungsanspruch anbelangt, so ist es auch hier notwendig, die Urteilswirkung zu uNberpruNfen. Nach Auffassung des ZivilprozeƒÀrechts ist es nicht vorgesehen, bei einer im Urteil ergangenen Unterlassungsweisung- ebenso wie bei Urteilen mit der Anweisung anderer Leistungen- deren Inhalt in der Phase der Zwangsvollstreckung zu korrigieren. Da sich jedoch im modernen ProzeƒÀ die verschiedensten Rechte, beispielsweise Dritter, auf komplizierte Weise uNberschneiden, kann es in der Stufe der Zwangsvollstreckung zu einer Benachteiligung solcher dritter Personen kommen. Die Position, der zufolge eine Forderung nach allgemeiner Handlungsunterlassung ausreichend ist, sieht nur vor, daƒÀ der Beklagte derartige Lagen zu beruNcksichtigen hat und auf deren Grundlage konkrete VorschlaNge fur MaƒÀnahmen zur Vermeidung von SchaNden bzw. SchaNdigungen unterbreitet. Auch in diesen FaNllen kommt es oft dazu, daƒÀ erst uNber die Zusammenarbeit und Beratung mit Dritten rechtswidrige Folgen beseitigt werden koNnnen. DafuNr ist es unerlaNƒÀlich, Spielraum fuNr die Diskussion und Beratung zwischen Gericht, Beteiligten und Dritten hinsichtlich der konkreten Umsetzungsmethoden zu gewaNhren und anzuerkennen. Das ZivilprozeƒÀrecht und Zwangsvollstreckungsrecht in Deutschland wie in Japan traNgt diesem Umstand bei weitem noch nicht ausreichend Rechnung. Notwendig ist eine Stelle der staNndigen Beratung zwischen Gericht und Beteiligten, die anstelle der Vollstreckungsgegenklage oder Drittwiderspruchsklage die UN berpruNfung der selbstaNndigen ErfuNllungsmethode des Schuldners und der Ergebnisse der LeistungserfuNllung einbezieht.
@@@ Ferner ist darauf hinzuweisen, daƒÀ von gerichtlichen Entscheidungen mit der Weisung zur Unterlassung von schaNdigenden BeeintraNchtigungen des Alltagslebens keine endguNltige LoNsung des urspruNnglichen Konflikts erwartet werden kann. Es handelt sich dabei lediglich um einen Schritt hin zur KonfliktloNsung. Dies wiederum stellt die Voraussetzung der deutschen wie japanischen ZivilprozeƒÀrechtstheorie in Frage, die der gerichtlichen Entscheidung die Aufgabe der KonfliktloNsung zuschreibt. Aber die gerichtlichen Entscheidungen zeigen keine abschlieƒÀenden LoNsungen auf. Gerichte koNnnen nur potentielle LoNsungsvorschlaNge unterbreiten und je nach VeraNnderung der Situation muNssen Korrekturen und Erneuerungen moNglich sein, damit ein wirksamer Beitrag zur LoNsung von Konflikten geleistet werden kann.
@@@ Es ist ein fuNr die ZiviliprozeƒÀtheorie in Deutschland wie in Japan gleichermaƒÀen bestehendes Problem, daƒÀ im Falle der MoNglichkeit einer Klage auf eine Leistung eine Feststellungsklage in Ermangelung des fuNr eine Klage unabdinglichen Interesses bisher als unzulaNssig behandelt worden ist (Prinzip der ErgaNnzbarkeit von Feststellungsklagen). Doch geht man von der oben erwaNhnten Situation aus, so lieƒÀe sich sagen, daƒÀ sowohl eine Unterlassungsklage als auch eine Feststellungsklage einer SchaNdigungsklage als Rechtsverletzung die gleiche Funktion ausuNben. Bei einer Feststellungsklage einer Rechtsverletzung statt einer abstrakten Unterlassungsklage ist das gleiche Verfahren zu durchlaufen, um nach der Urteils‚†‚‰ ndung den Zustand der Rechtsverletzung aufheben zu koNnnen. Und bedenkt man vor allem, daƒÀ eine Feststellungsklage fuNr die GeschaNdigten einfacher zu erheben ist als eine Unterlassungsklage, so sollte der Feststellungsklage und ihrer Funktion ein groNƒÀere Aufmerksamkeit gewidmet werden (Hans Stoll hat schon im Jahre 1969 darauf hingewiesen. vgl. : Typen der Feststellungsklage aus der Sicht des buNrgerlichen Rechts in Festschrift fuNr E. BoNtticher zum 70. Geburtstag).

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IV. SchluƒÀbemerkung

@@@ Zum Zwecke der Verhinderung von UmweltschaNdigungen und des Erhaltes von Umwelt hat der traditionell orientierte ZivilprozeƒÀ seine entsprechende Funktion nicht ausreichend wahrnehmen koNnnen. Ferner habe ich darauf hingewiesen, daƒÀ die Frage eines Wandels in der Theorie ansteht, um derartigen Forderungen in Prozessen gerecht werden zu koNnnen. Dies bedeutet keineswegs, daƒÀ der ZivilprozeƒÀ und seine Theorie ohnmaNchtig sind. Sicherlich laNƒÀt sich bei kurzfristiger Betrachtungsweise sagen, daƒÀ der ZivilprozeƒÀ angesichts des Drucks durch rasanten Wandel unter FunktionsstoNrungen leidet. Jedoch war der ZivilprozeƒÀ immer derartigen VeraNnderungen ausgesetzt und hat ein jedesmal neue theoretische Positionen hervorgebracht. Auch in der Gegenwart ist dies der Fall. In der langen Geschichte der deutschen ZivilprozeƒÀtheorie und in den Ergebnissen der aktuellen Forschung sollten sich wichtige Hinweise fuNr die LoNsung der anstehenden Probleme‚†‚‰ nden lassen. Bedenkt man ferner, daƒÀ das ZivilprozeƒÀrecht in Japan auf der Grundlage des deutschen Rechts amerikanische Erfahrungen zu integrieren versucht und daraus gewonnene LoNsungsansaNtze derzeit in Deutschland noch nicht oder kaum bekannt sind, dann kann man wohl sagen, daƒÀ es fuNr den fruchtbaren Austausch zwischen dem deutschen und dem japanischen Recht noch viele Aufgaben gibt.